Der 3. Oktober: Tag der deutschen Einheit?

Ein Mauerfall-Graffiti am KKG, verblasst im Laufe der Zeit; genauso wie das Ereignis an sich ? (Foto: THO)

Zum 33. Mal jährt sich heute der „Tag der Deutschen Einheit“. Ein Tag, der an die Wiedervereinigung von Ost und West erinnert und gleichzeitig die Einheit und Stärke einer Nation zelebriert. Aber ist Deutschland tatsächlich so vereint, wie es der 3. Oktober suggeriert?

Wiedervereint, aber noch nicht immer ganz zusammengewachsen

Es gibt vielleicht keine Mauer mehr, welche die beiden Hälften Deutschlands teilt, jedoch gibt es noch immer eine Kluft, bestehend aus Wirtschaftlicher Ungleichheit, Vorurteilen, Religiosität und vielen weiteren Dingen, hier eine Auswahl:

Wirtschaftliche Ungleichheit

Seit der Wiedervereinigung im Jahr 1990 hinkt die Ostdeutsche Wirtschaft der Westdeutschen hinterher – und das bis heute. Die „blühenden Landschaften“, die Helmut Kohl den Menschen versprochen hatte, ließen auf sich warten. Wichtig anzumerken ist, dass logischerweise in Ostdeutschland weniger Menschen leben, als in Westdeutschland, jedoch selbst wenn man die Bevölkerungsdifferenz herausrechnet, offenbaren sich weiterhin Unterschiede: 2022 war die Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit zu Folge zwei Prozent höher als in Westdeutschland; vor zehn Jahren, also 2013, war die Arbeitslosigkeit noch stolze 4,9% höher als im Westen.  Einer anderen Statistik der Bundeszentrale für politische Bildung zum Thema Einkommen in Ost- und Westdeutschland zu Folge sei die Angleichung beider Einkommen zwar im Gange, jedoch lagen bis heute die Einkommenniveaus in Ostdeutschland immer unter den Einkommenniveaus aus Westdeutschland – also kurz gesagt: Der Ostdeutsche verdient im Durchschnitt seit 1990 noch immer etwas weniger Geld als der Arbeitskollege im Westen.

Vorurteile

Jeder Deutsche wird schonmal mit folgendem Begriff einmal im Leben in Kontakt gekommen sein: „Wessi“ und „Ossi“, als verniedlichende aber dennoch abwertende umgangssprachliche Bezeichnung für „Westdeutscher“ und „Ostdeutscher“. Sind aber diese Begriffe im Jahr 2023 noch ein Thema? Anscheinend zumindest bei dem Chef des Axel-Springer-Verlags Mathias Döpfner. Dieser sorgte im April diesen Jahres für Aufruhr: Die Wochenzeitung „Die Zeit“ hatte mit der Veröffentlichung konzerninterner Nachrichten Döpfners berichtet, ein prominentes Zitat des Springer-Chefs lautete wie folgt:

„Die Ossis sind entweder Kommunisten oder Faschisten. Dazwischen tun sie es nicht.“

Trotz 33 Jahre Wiedervereinigung gibt es immer noch teilweise abfällige Kommentare von West nach Ost, aber auch von Ost nach West. Es sind weniger geworden, aber sie gibt es immer noch.

Religiosität

Während im Westen Deutschlands trotz der Rekorde an Kirchenaustritten eine vergleichsweise höhere religiöse Vielfalt und eine stärkere Bindung an traditionelle Konfessionen wie das Christentum vorherrschen, zeichnet sich der Osten durch eine tiefgreifende Säkularisierung und eine geringere Bindung an religiöse Überzeugungen aus. Dieser Unterschied geht auf die unterschiedlichen historischen Entwicklungen während der Teilung Deutschlands zurück, wobei der Osten in der Zeit innerhalb der DDR eine Entfremdung von religiösen Praktiken erlebte. Heute ist der Osten geprägt von einer eher säkularen Lebensweise, während der Westen weiterhin eine breite Palette religiöser Aktivitäten und Glaubensrichtungen beherbergt.

Religionsspaltung in Deutschland (Foto: Nerdy Maps, Reddit)

Der Osten als AfD-Hochburg?

Natürlich muss auch die aktuelle politische Lage im Osten Deutschlands erwähnt werden, denn momentan scheint der Osten Deutschlands eine „AfD-Hochburg“ zu sein. Im Osten konnte die in Teilen rechtsextreme AfD schon seit Jahren weitaus höhere Gewinne erzielen als im Westen des Landes, zuletzt in Umfragen um die 30% in den neuen Bundesländern, während sie sich im Westen mit Werten unter 20% zufrieden geben muss. Die Ursachen des Erstarkens sind vielfältig, aber es ist unbestreitbar, dass der Erfolg auf tieferliegende gesellschaftliche Probleme und hinweist. Die AfD hat sich in vielen östlichen Bundesländern als eine der führenden politischen Kräfte etabliert.

Umfragewerte der AfD (Foto: dawum.de, Stand vom 12.09.2023)

Werden wir den Tag einer wirklichen Einheit erleben?

Der Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober ist zweifellos ein Anlass zur Freude und Reflexion darüber, wie weit das Land seit dem Mauerfall vorangekommen ist. Es ist aber nach wie vor nötig, die wirtschaftlichen Unterschiede, aber auch die Ressentiments ernsthaft anzugehen und diejenigen zu unterstützen, die es nötig haben. Wir können die Einheit Deutschlands nicht einfach als abgeschlossen betrachten, sondern müssen uns bewusst sein, dass es eine anhaltende Aufgabe ist, diese Einheit zu festigen. Es erfordert Engagement, Verständnis und den Willen, die Unterschiede zu überbrücken, die nach wie vor bestehen. Es erfordert die Förderung einer inklusiven Gesellschaft, in der jeder Bürger, egal ob Ost oder West, gleiche Chancen und Rechte hat. Denn das Erstarken rechter Kräfte in Ostdeutschland sollte uns tief besorgen.

Der 3. Oktober ist mehr als nur ein Feiertag; er ist ein Symbol für Hoffnung und Veränderung. Es liegt an uns, sicherzustellen, dass diese Hoffnung Wirklichkeit wird, dass die Einheit Deutschlands nicht nur in der Geschichte, sondern auch in der Gegenwart und Zukunft existiert. Möge dieser Tag uns daran erinnern, dass wir gemeinsam an einer besseren und geeinteren Zukunft arbeiten müssen – nicht nur für uns, sondern für kommende Generationen.

Die Redaktion wünscht allen Leserinnen und Lesern einen erholsamen Tag der Deutschen Einheit! Genießt diesen freien Tag von der Schule in vollen Zügen!

Ruben Wagner (11. Jgs.)

P.S.: Für alle, die in Geschichte geschlafen haben, ein Blick in die Vergangenheit 😉

Die Deutsche Wiedervereinigung, kurz und knapp:

  • 1989
    • 9. November: Fall der Berliner Mauer.
    • 10. November: Öffnung der Grenzübergänge zwischen Ost- und Westdeutschland.
    • 28. November: Bundeskanzler Helmut Kohl präsentiert seinen 10-Punkte-Plan zur deutschen Einheit.
  • 1990
    • 18. März: Erste freie Wahlen in der DDR.
    • 1. Juli: Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion zwischen Ost und West.
    • 31. August: Vertrag über die Schaffung einer Wirtschafts- und Währungsunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik.
    • 12. September: Der Zwei-plus-Vier-Vertrag macht den Weg für die Wiedervereinigung frei.
    • 3. Oktober: Deutsche Wiedervereinigung. Die DDR wird aufgelöst, und die fünf neuen Bundesländer (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) treten der Bundesrepublik Deutschland bei.

Außerdem gab es vor dem jetzigen „Tag der Deutschen Einheit“ am 3. Oktober, den „Tag der deutschen Einheit“, mit kleinem „d“, welcher anlässlich der Aufstände vom 17. Juni 1953 in der DDR, innerhalb der BRD jedes Jahr am 17. Juni begangen wurde. Dieser Feiertag wurde im Zuge der Wiedervereinigung 1990 abgeschafft. 1990 gab es dennoch nur einmal schulfrei, weil der 17. Juni ein Sonntag war.

Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Kommentare sind geschlossen.