Der 3. Oktober: Gedenken an Nika Shakarami


Was für viele ganz klar der Tag der deutschen Einheit ist, hat für mich im letzten Jahr eine ganz andere Bedeutung gewonnen. Ich gedenke auch der Frauenrechtsaktivistin Nika Shakarami, die viel zu jung viel zu mutig sein musste.

Als am 16. September die 21 jährige  Mahsa Amini von der Sittenpolizei festgenommen wurde und wenige Tage später im Krankenhaus starb, schaute plötzlich die ganze Welt in den Iran. Ich persönlich war nicht über die dortige frauenrechtliche Situation informiert, aber der darauffolgende Kampf vieler junger Frauen gegen das Regime berührte mich, genau wie die heftige Reaktion des Staates Entsetzen in mir auslöste.Die Polizei ging mit aller Härte gegen Demostranten vor, sie wurden niedergeknüppelt, verhaftet oder verschwanden einfach.

Hier kommt Nika Shakarami in Spiel: Wie viele junge Menschen in der Generation Z (geb 1997-2022), die sich mehr mit globaler Jugendkultur als mit dem unterdrückenden Regime identifizieren, ging auch Nika gegen ebendieses auf die Straße. Sie war gegen ein Kopftuchverbot und Sang gerne.

Am 19. September verließ Nika nach Angaben ihrer Tante mit Handtuch und Wasserflasche (wohl gegen Tränengas) das Haus.
Später gibt es einige Zeugenberichte sowie Videos von Nika, unter anderem als sie auf einer Mülltonne stehend ihren und weitere Hijabs verbrannte und „Tod dem Diktator“ rief.
Ihre Mutter versucht sie immer wieder zum heimkehren zu bewegen. Als sie um 11:30 das letzte Mal Kontakt mit ihrer Tochter hat, ist sie mit Freunden auf der Flucht vor der Polizei. Danach bricht das Telefonat ab und ihr Handy wird ausgeschaltet. In dieser Nacht werden ihre Social media accounts gelöscht.

Nach einer vermutlich schlaflosen Nacht versucht die Familie Informationen über ihren Verbleib bei der Polizei zu bekommen. Diese versichert ihnen, sie sei in Gewahrsam, aber sicher, den Aufenthaltshort wolle man ihnen jedoch nicht nennen. Nach zehntägiger Suche, unter anderem in Gefängnissen, Krankenhäusern und Leichenhallen, und nach öffentlicher Bekanntgabe ihres Fehlens, wird  Nika im Leichenschauhaus eines Gefängnisses gefunden. Die Familie darf nur kurz ihr Gesicht zu Identifikatinszwecken sehen. Nikas Mutter berichtet von einem zerschmetterten Gesicht, eingeschlagenen Zähnen und Schädel, vermutlich von einem harten Objekt. Die Ploizei nennt als Todesgrund den Fall von einem Gebäude und liefert ein verschwommenes Video. Doch für die Familie ist die Todesursache klar.

Am 3.Oktober, ihrem 17 Geburtstag, wollte die Familie eine öffentliche Beerdigung abhalten. Doch die Familie wurde von den Behörden unter Druck gesetzt und Nikas Körper wurde noch vor der Beerdigung gestolen und heimlich verscharrt. Trotzdem versammelten sich hunderte Protestierende zu Nikas Beerdigung. Später wurden Familienmitglieder bedroht um Nikas Todesursache als Unfall oder Suizid zu betiteln.

In den Protesten des letzten Jahres sind hunderte junge Menschen gestorben und verletzt worden. Doch Nikas Fall ging wegen ihres Alters um die Welt. Und mir geht er ganz besonders ans Herz. Nika ist am 3.Oktober 2005 geboren, Ich am 10.10.. Sie hat sich mit Werten unserer Generation identifiziert und hat für sie kämpfen müssen.

Wäre ich in ihrer Situation genauso mutig gewesen? Sie führt mir vor Augen, wie viel das Wo und das  Wann für ein Leben bedeuten kann. Und nun kann ich an nichts anderes denken, als dass ich das Glück habe, in einer Woche volljährig werden zu dürfen und am Anfang eines hoffentlich spanneden Lebens stehe, und dass Nika am falschen Ort zur falschen Zeit  war und mit 17  Jahren gestorben ist.

Alles Gute zum Geburtstag, Nika

Josepha Westwood

Weitere Infos zum Fall findet ihr hier:

https://www.rferl.org/a/iran-teen-protester-death/32070141.html

https://www.bbc.com/news/world-middle-east-63200652

https://www.bbc.com/news/world-middle-east-63154994

https://www.bbc.com/news/world-middle-east-63128510

 

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