Georg Britting: Brudermord im Altwasser

Tagebucheintrag

Ich fühle nichts. In mir nur diese Leere. Was haben wir nur getan, oder ist dies alles nur ein böser Traum? Jetzt, alles so unwirklich, vielleicht ist ER gar nicht tot. Vielleicht ist ER einfach alleine losgezogen, so wie wir es den Eltern erzählt haben. Aber warum fühlt es sich dann so echt an? Warum haben wir es so übertrieben? Wir waren wie im Rausch. Und jetzt? Jetzt ist alles dunkel und grau und die Stille danach hallt mir immer noch in den Ohren wieder. So viel schlimmer als das Klopfen. War es ein schneller Tod? Als all die Wassermassen, ohne einen Ausweg. Als die Luft knapp wird und der Mund sich ganz von allen öffnet und… WAS haben wir getan? Welch grauenhafter Tod! Wir sind Mörder, wahrlich. Mörder – schon ein seltsames Wort – so klein und scheinbar ohne jede Bedeutung. Und doch sind wir genau das: Mörder. Mörder. Mörder. Haben wir es überhaupt noch verdient zu leben? Oh Gott, wie soll ich noch leben. Ich werde immer genau das sein: ein dreckiger Brudermörder. Alle werden sich von mir abwenden, mich hassen, verurteilen, verfluchen. Warum haben wir nichts getan? Tragen wir Schuld? Aber nein, nein, nein! Das will ich nicht glauben. ER war doch so blöd und ist immer reingefallen. ER ist allein daran Schuld! – Aber wieso sagt mein Gewissen etwas anderes? Aber es MUSS so sein! Anders kann ich nicht leben, mit dieser Schuld, oh nein… WAS haben wir getan!

(Mathilda Dehm, 8a)

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