Der Papst und sein Weltkrieg

Tante K. StrickstubeDer Papst hat gesprochen. Die neue, naja, neueste Hoffnung: der Mann, von dem sich viele Gläubige und Nichtgläubige erhofften, er möge die katholische Kirche in die Gegenwart führen, hat mal wieder diese in sich gesetzten Hoffnungen aus Sicht vieler enttäuscht. Bei seinem Besuch im Kaukasus hatte der Heilige Vater für die von ihm bereits als „Ideologie“ diffamierte Gender-Bewegung wieder einmal deutliche Wörter:

Der große Feind der Ehe ist die Gendertheorie. Es gibt heute einen Weltkrieg, um die Ehe zu zerstören. Er wird nicht mit Waffen geführt, sondern durch ideologische Kolonisierung. Darum ist es wichtig, die Ehe vor diesen Kolonisierungen zu verteidigen!“

(Zitiert nach Radio Vatikan)

Hier finden wir ein Muster erzkonservativer Christen, das sich offenbar immer größerer Beliebtheit erfreut: Krieg, geführt von den Anderen gegen die eigene, von Gott gegebene Heiligkeit. Ich erinnere mich da an den Krieg gegen Weihnachten, der von rechten US-Christen eingeführt wurde, nachdem Gouvernor Lincoln Chafee einen hübsch geschmückten Baum in seinem Büro zur Weihnachtszeit als, vorsicht, Satan enthalten,  „holiday tree“ bezeichnete. Oder die riesigen Proteste gegen aufgeklärten Sexualkundeunterricht, indem tatsächlich sexuelle Vielfalt gelehrt werden soll, mit anderen Worten: Unsere Kinder werden von der Homo-Lobby verschwult. Es sieht so aus, als seien inszenierte Feindbilder Opium für das religiöse Volk.

Was mich da noch interessiert, ist, wie Seine Heiligkeit „die Ehe vor diesen Kolonisierungen schützen“ will. Denkt die Kirche da an Kreuzzüge reloaded oder will man es doch mit Exorzismen versuchen und sich mit einem Kruzifix vor Transgendern aufbauen und ein paar mal „Weiche, Satan!“ rufen, während man sie mit Weihwasser besprenkelt?

Ist das, wie Kirche funktioniert? Jeden Fortschritt auf unchristliche, beinahe perverse Weise zum Feindbild erklären anstatt selbst mit der Zeit zu gehen, offen zu werden?

Sollte nicht gerade der Papst hier mit gutem Vorbild vorangehen, Offenheit wagen und keine neuen Feindbilder schaffen an denen sich die Kirche ergötzen kann? Seien wir mal ehrlich: Gemeinschaften, die sich in Bezug auf so viele Themen (Abtreibung, Homosexualität, Gender-Bewegung, Evolution etc.) dermaßen verschließen, können im Jahr 2016 keinen großen Erfolg mehr haben.

Was wäre im Sinne des Namensgebers der Kirchen – Jesus? Eine Mauer aufbauen, hinter der man sich vor all den teuflischen Bedrohungen dieser bösen Zeit verstecken kann oder die Kirche zu öffnen und mehr Akzeptanz zu wagen – auch für Menschen, die selbst über ihren Körper und ihre Rolle in der Gesellschaft entscheiden wollen und so die alten, verstaubten Kirchen attraktiver für die neue Generation zu machen? Urteilt selbst.

Tilmann K. (9c)

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