Drei spannende Fälle: zu Gast beim Amtsgericht Neustadt

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Am Donnerstag den 11. Mai 2023 besuchten wir, als bilingualer Sozialkundekurs der 10. Jahrgangsstufe, das Amtsgericht in Neustadt und bekamen dort einen Einblick in den typischen Ablauf einer Gerichtsverhandlung.

Erste Gerichtsverhandlung 

Da die Gerichtsverhandlungen öffentlich sind, durften wir uns vormittags in zwei Gruppen geteilt drei solcher anschauen. Die erste Gruppe startete um 9:00 Uhr mit der ersten Gerichtsverhandlung, in der der Angeklagte von seiner Ex-Frau wegen starker Beleidigungen gegen sie und ihren neuen Lebensgefährten angezeigt worden war. Es gab wohl schon in der Vergangenheit häufiger Auseinandersetzungen zwischen dem ehemaligen Ehepaar, in denen es insbesondere auch um ihre gemeinsame Tochter ging. So hatte der Angeklagte schon zweimal Näherungsverbot bei seiner Ex-Frau und Tochter bekommen. Nachdem der Angeklagte seine Perspektive der Geschehnisse erläutert hatte, gestand er einen Teil der Anklage. So habe er zwar seine Ex-Frau per WhatsApp beleidigt, hätte aber nie ihren Lebensgefährten am Telefon beschimpft. Daraufhin kamen die Ex-Frau und ihr Lebensgefährte in den Zeugenstand, um auch ihre Aussage zu tätigen. Der Mann wurde schließlich schuldig gesprochen und bekam vom Richter eine Geldstrafe im Wert von 450 Euro verhängt.

Zweite Gerichtsverhandlung

Im zweiten Fall ging es um einen ca. Ende 50-jährigen obdachlosen Mann, welcher bei der Polizei in Neustadt schon bekannt sein soll. Er habe wohl schon des Öfteren unter Einfluss von Suchtmitteln Menschen auf der Straße belästigt oder sogar bedroht. Auch zwei Gefängnisstrafen habe er hinter sich. Der Auslöser für diese Verhandlung war ein Vorfall im vergangenen Jahr gewesen, welcher sich zwei Tage nach einer seiner Gerichtsverhandlungen ereignet hatte. Der Angeklagte hatte zu diesem Zeitpunkt in einem Obdachlosen-Wohnheim in Neustadt gelebt und unter Drogen seine Wohnung demoliert sowie Gegenstände, darunter ein Küchenmesser, aus dem ersten Stock auf die Straße geworfen. Als die Polizei versucht hatte, sich dem Mann zu nähern, hatte er auch auf die Beamten Gegenstände geworfen und musste schließlich überwältigt werden.

Zwei der betroffenen Polizeibeamten kamen auch hier als Zeugen und berichteten den Ablauf des Einsatzes. Der Angeklagte konnte selbst keinen Bericht über die Geschehnisse geben, da seine Erinnerungen an die Tat so gut wie vollständig weg waren. Überraschend war, dass beide Polizisten nicht wollten, dass der Angeklagte ins Gefängnis kommt, sondern im Gegenteil ein gutes Wort für ihn einlegten. So beschrieben sie ihn als sehr kooperativ in den Einsätzen in der Vergangenheit und sagten auch, dass der Mann offensichtlich nicht bei Sinnen zum Tatzeitpunkt gewesen sei und sich aufrichtig entschuldigt habe.

Die Staatsanwaltschaft plädierte dennoch auf 10 Monate Gefängnisstrafe, um eine Gefahr für die Menschen im Umfeld des Angeklagten zu vermeiden. Der Anwalt des Mannes machte jedoch darauf aufmerksam, dass der Angeklagte nun schon seit 10 Monaten in Therapie ist und seitdem auch nicht mehr Suchtmitteln verfallen ist. Außerdem mache er seit einiger Zeit ein Praktikum im Altenheim. Der Richter kam schließlich zu dem Entschluss dem Mann eine letzte Chance zu geben und ihn statt einer Gefängnisstrafe „nur“ eine Geldstrafe zu geben und ihn das vierte Mal auf Bewährung zu setzen.

Der Richter begründete seine Entscheidung damit, dass er den Angeklagten, den er ja auch schon inzwischen gut kannte, noch nie so ruhig und Reue zeigend in einer Gerichtsverhandlung erlebt habe und es für ihn sinnvoller scheint, ihm die Möglichkeit zu geben sein Leben endlich in den Griff zu bekommen, als ihn einzusperren, ohne zu wissen, was danach noch alles passieren wird. Sollte sich ihm aber der kleinste Ausrutscher erlauben, sei es nur ein positiver Alkoholtest in der Therapie-Anstalt, wird der Mann in eine Psychiatrie eingewiesen werden, aus der er wahrscheinlich nicht mehr zu seinen Lebzeiten entlassen wird.

Dritte Gerichtsverhandlung

Bei dem dritten Fall durfte nun auch die zweite Gruppe unserer Klasse mit teilhaben, bei dem die Anklage lautete: versuchter Diebstahl im Drogeriegeschäft Müller. Die Tat soll am 22. Dezember letzten Jahres geschehen sein, also zwei Tage vor Heiligabend. An diesem Tag soll eine Frau versucht haben, ein Spielzeug, genauer gesagt einen elektrischen Teddybären, im Wert von ungefähr 100 Euro zu stehlen, diese behauptete aber, dass sie ihn nur einem Bekannten in einem vor dem Müller stehenden Auto habe zeigen wollen

Dabei sei sie jedoch mit dem Spielzeug in der Hand durch den Ausgang hinaus gelaufen, woraufhin sie von einer Verkäuferin angesprochen wurde. Auf die Nachfrage, ob sie denn den Kassenbon bei sich hätte, reagierte die Frau anscheinend sehr hilflos und wusste wohl nicht so recht, was sie in dieser Situation erwidern sollte. Daraufhin ging sie wieder in den Verkaufsladen rein und bat um eine Reservierung des Teddybären, welchen sie am nächsten Tag abholen wollte, an dem sie aber nicht erschien.

Auf eine Frage des Verteidigers hin, der gleichzeitig der Vertreter der Angeklagten war, da diese am Gerichtstag aufgrund eines ärztlichen Attests abwesend war, erwiderte eine Zeugin, dass die Frau schon vorher bekannt im Geschäft gewesen sei,  beispielsweise beim Öffnen von Originalware ertappt worden sei und schon ein paar einzelne Geldstrafen hinter sich habe. Zum Schluss wurde die Angeklagte mit einer Geldstrafe belegt.

Allgemein war es für uns als Klasse sehr interessant, solchen Gerichtsverhandlungen beizuwohnen, bei denen die Anwälte und der Richter überraschenderweise sehr viel lockerer wirkten, als wie man es aus Filmen oder Serien kennt. Auch nach der eigentlichen Besuchszeit unserer Klasse sind noch ein paar wenige für eine weitere Verhandlung geblieben.

Alissa R. / Amelia S. (10. Jgs.)

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