VR-Brillen für jeden ? Interrview mit dem Augenarzt Dr. Müller

Virtuell-Reality-Brillen sind gerade 2017 ein Trend,  der sich durchsetzt:  In diesem Jahr gibt es die ersten 360° Videos und  – dank neuer Konsolengenerationen – Computerspiele, die nur auf die VR-Brillen ausgelegt sind. Es mehren sich aber auch Stimmen, die negative Effekte auf die Nutzenden prophezeien. Und so wollten wir der Frage nachgehen, welche Auswirkungen VR-Brillen auf uns haben, wenn wir sie regelmäßig nutzen. Wir haben Herrn Dr. med. Stefan Müller, Augenarzt am Hetzelplatz in Neustadt, dazu interviewen können.


Auch in Unternehmen findet die Brille immer mehr Abnehmer und Nutzen: Meetings werden interaktiv und verschiedene Arbeitsschritte könne in der virtuellen Realität simuliert werden. Der Hauptabnehmer der VR-Brillen ist und bleibt erst einmal voraussichtlich der Gaming-Markt, mit überwiegend positiven Rückmeldungen.  Je nach Modell startet das 3D-Vergnügen ab 449€. Es gibt sie in allen Variation und Größen. Das Nutzungsprinzip einer solchen Brille ist relativ simpel: Einfach über den Kopf gezogen, anschalten und schon kann es losgehen. Für die Top-Smartphones kamen in letzter Zeit ebenfalls „Brillengehäuse“ auf den Markt, um auch für weniger Geld 3D genießen zu können. Doch funktioniert das eigentlich bei Brillenträgern genauso einfach? Und was hat das überhaupt für Auswirkungen auf unseren Augen und unseren Körper, wenn wir regelmäßig mit 3D-Brille zocken?

Klartext: Herr Dr. Müller, gegen Jahresende werden die Verkaufszahlen für VR-Brillen vermutlich in die Höhe schießen. Manche befürchten aber v.a. für die Augen Probleme. Ist es auch ihrer Sicht schädlich, VR-Brillen zu nutzen?

Dr. Müller: VR-Brillen sind im Moment wirklich ein Top-Thema. Nach eurer Anfrage, habe ich selbst aber auch erst einmal nachforschen müssen, da eure Frage keine alltägliche ist. Letztendlich muss man sagen, dass aufgrund der neuartigen Technologie wissenschaftlich noch keine Langzeitstudien vorliegen, die eine Schädlichkeit belegen. Es gibt bei VR-Brillen wie auch bei einfachen Brillen oder 3D-Brillen allerdings ein paar Dinge, die man beachten sollte:

Klartext: Klären sie uns auf!

Dr. Müller: Zum einen kann nicht jeder eine VR-Brille nutzen, denn nicht jeder hat ein räumliches Sehen! Das betrifft etwa 5% der Bevölkerung. Man sollte sie schon ausprobieren, bevor man sie kauft, weil für einige Menschen einfach kein Nutzten da ist. Ein Beispiel: Wenn man mit zehn Leuten ins 3D-Kino geht, sagt meistens einer, er habe keine Effekte gesehen! Meiner Frau geht es genauso. Für diese Leute wären VR-Brillen nichts, daran lässt sich leider auch nichts ändern.
Das andere: Es gibt ja ganz viele verschiedene VR-Brillen. Hier sollte man auch darauf achten, dass man den Augenabstand einstellen kann. Das konnte ich, als ich das ein oder andere Modell im Internet recherchiert habe, nicht ganz genau feststellen. Wichtig ist die so genannte Pupillendifferenz, also der Abstand von der rechten zur linken Pupille, das war auch früher bei den 3D-Brillen das Problem. Denn der Kopf ist nicht bei jedem Menschen gleich und folglich sind die Augen unterschiedlich weit auseinander. Verschiedene Menschen haben verschiedene Pupillendifferenzen und bei manchen ist es auch so, dass eine Pupille und somit die Sehachse 2 mm weiter links oder rechts sitzt, als es symmetrisch richtig wäre. Bei guten VR-Brillen kann man also die Differenz einstellen. Ansonten wird das oft den Effekt einer VR-Brille mehr oder weniger stark einschränken.

Klartext: Wir halten also fest: Ausprobieren, kaufen und sorgenfrei nutzen?!

Dr. Müller: Was man in Beobachtungsstudien gesehen hat ist die Tatsache, dass die VR-Brillen schon manchmal Beschwerden hervorrufen können: Ganz typisch ist eine Art Seekrankheit („Motion Sickness“). Denn es gibt auch VR-Brillen, die virtuelle Bilder in reale Bilder projizieren, da ist das Problem, dass viele Menschen das Problem haben, dass alles anfängt zu schwimmen und dies eine Übelkeit hervorruft. Das liegt daran, dass diese Leute oft die Schwierigkeit haben, mit dem Auge umzuschalten, das Gehirn kann dann nicht mehr richtig einstellen, ob man auf das reale oder virtuelle Bild schaut, und dieser schnelle Wechsel bringt oft Übelkeitsphänomene mit sich, sodass man sich unwohl fühlt. Es gibt also auch Menschen, die VR-Brillen nicht lange oder nicht dauerhaft tragen können.

Klartext:
Es wird ja unterschieden zwischen VR-Brillen, die eine flache und eine gewölbte Bildschirmfläche haben. Hat das irgendwelche Vorteile für das Auge? Denn im echten Leben hat man ja auch einen Rundumblick.

Dr. Müller:
Also im Grunde ist die Wölbung oder die Form bei Brillen genau gleich, das hat eigentlich keine großen Vor- oder Nachteile. Wichtig ist die Entspiegelung, das macht wahrscheinlich auch die Qualität dieser Brillen aus. Man schaut ja durch ein Glas- oder Kunststoffmedium durch und da kommt es eben auf die Qualität an. Ich denke, dass macht auch einen wesentlichen Teil bei der Preisfindung dieser Brillen aus.

Klartext:
Es gibt beispielsweise auch Samsungs Gear VR, bei der ganz einfach nur ein Smartphone vor den Augen befestigt wird und man auf dessen Bildschirm blickt. Früher hieß es zu Hause immer, wenn wir länger vor Fernseher und Computer saßen, es sei schlecht für die Augen. Müsste dort nicht der gleiche Effekt eintreten?

Dr. Müller:
Auch da gibt es keine wissenschaftlichen Studien, die eine genaue Schädigung belegen. Man vermutet aber zum Beispiel bei Jugendlichen, die noch in der Wachstumsphase stecken, dass eine Nutzung langfristig wahrscheinlich Kurzsichtigkeit hervorrufen kann. Konkret gibt es Studien aus Asien, die man so deuten kann, dass bei Menschen, die sehr lange in die Nähe schauen oder solche Geräte sehr lange nutzen, eine Kurzsichtigkeit auftritt. Kurzsichtigkeit kommt ja jetzt allgemein viel mehr vor als noch vor ein paar Jahrzehnten, vermutlich dadurch, dass man PCs, Tablets und Smartphones relativ nah verwendet. Gerade in der Teenager-Zeit, muss man sagen, scheint das wohl auf die Entwicklung von einer Kurzsichtigkeit großen Einfluss zu nehmen.

Klartext: Also gibt es dann zur Not eine Brille oder Kontaktlinsen.

Dr. Müller: Leider kann diese Fehlsichtigkeit, bei der man für die Ferne immer mehr Dioptrien braucht, für das Auge auch ein erhöhtes Krankheitsrisiko mit sich bringen. Beispielsweise hat man im Laufe des Lebens ein höheres Risiko für eine Netzhautablösung.
Unabhängig vond er Nutzung einer 3D-Brille gilt die Empfehlung, solche Gerätschaften moderat einzusetzen. Maximal drei Stunden am Tag sind schon in Ordnung, aber auch nicht viel mehr und man sollte zwischendurch immer Pausen machen! Auch unabhängig von VR-Brillen: Wenn man zu Hause viel lernt, ist es immer wichtig, so ein, zwei Stunden am Tag raus, ins Freie zu gehen und in die Weite zu schauen, sodass sich die Augen wieder auf die Ferne einstellen können.
Das ist eine inzwischen wissenschaftlich verifizierte Möglichkeit, sich und seinen Augen etwas Gutes zu tun. Als man in einer Studie etwa tausend Jugendliche beobachtete, die wirklich zwei Stunden verordnet bekamen, ins Freie zu gehen, so konnte hat man drei Jahre später feststellen, dass diese deutlich weniger Kurzsichtigkeit entwickelt hatten als diejenigen, die den ganzen Tag da saßen und gelesen oder das Smartphone genutzt hatten.

Klartext:
Aber das ist nur in der Entwicklungsphase eines Menschen wichtig, später dann nicht mehr?

Dr. Müller:
Ja, Anfang, Mitte zwanzig ist die Entwicklung eines Menschen ungefähr abgeschlossen. Frische Luft dürfte aber auch danach noch gesundheitsfördernd sein.

Klartext:
Die Hilfsmittel, die von den Herstellern angeboten werden, etwa verschiedene Linsen, wie effektiv sind diese? oder anders gefragt: Wenn man aus dem Korrekturbereich herausfällt: Kann man da etwas machen, um trotzdem 3D genießen zu können?

Dr. Müller:
Das ist ein wichtiger Punkt, den ihr ansprecht: Bei guten VR-Brillen sollte  eigentlich die Brille darunter passen. Diese mitgelieferten Ausgleichsgläser würde ich sowieso nicht empfehlen, denn man gleicht ja dann nie richtig aus wie bei einer beim Optiker an die eigenen Bedürfnisse angepassten Brille. Dann lieber die eigene Brille, die voll ausgerichtet ist, darunter tragen. Ansonten riskiert man wie bei einer falsch eingestellt Brille Kopfschmerzen.

Klartext:
Was würden Sie sich den noch als Verbesserung des Produkts wünschen? Nicht nur auf Brillenträger bezogen sondern für alle Nutzer, sodass man die VR-Brillen auch medizinisch unbedenklich benutzen kann?

Dr. Müller:
Gute Frage.  Bei der LED kommt ja langsam die Frage auf, ob diese nicht vielleicht sogar wegen der  Wellenlänge des Lichts schädlich ist. Konkret: Das Blaulicht steht langsam im Verdacht, vielleicht auch netzhautschädlich zu sein. Ich will ja nicht alle Brillen unter Generalverdacht stellen, deswegen ist das immer so ein bisschen schwierig, aber solche Sachen sollte man meines Erachtens schon vor der Einführung eines Produkts ausschließen können.

Klartext:
Eine abschließende Frage: Würden Sie sich persönlich  eine VR-Brille in der nächsten Zeit zulegen oder nutzen Sie jetzt schon?

Dr. Müller:
Nein, noch habe ich keine. Also grundsätzlich bin ich für neue Sachen immer offen; aber hier sind es vielleicht eher meine Kinder, die da den Wunsch äußern. Bisher machen mir vor allem 3D Filme, z.B. ein Besuch der IMAX-Kinos, Spaß. Vielleicht fehlt für die Nutzung einer 3D-Brille im Sinne von Spielen auch einfach die Freizeit.

Klartext:
Herr Dr. Müller. Vielen Dank für das Interview.

Lorenz K. / Jan K. (13)

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