„Muslime und Russlanddeutsche“ – Klischees in Schulbüchern

Kätheprüft1Auch in deiner Umgebung begegnest du Muslimen. Erzähle.

– aus einem deutschen Schulbuch

 

Vor der Klassenfahrt sorgt sich Ayses Vater um die Familienehre, das möchte uns ein Buch erzählen. Als Beispiel für Migranten und „Gastarbeiter heute“. Darunter ein paar Bilder, unter anderem von einer Wand, auf der „Ausländer raus“ in fetten Buchstaben gschrieben wurde, oder ein schnurrbärtiger Türke oder eine in Schleier und altertümliche Gewänder vermummte Frau, die in ehrfürchtiger Pose vor einem Kinderwagen steht. Außerdem sagen uns diese merkwürdigen Bücher, die man normalerweise für NPD-Parteiprogramme halten würde, wir, die Schüler sollen „rausgehen“ und mit den „Russlanddeutschen reden“.

Diese Bücher sind aktuelle Schulbücher, die wir vor unsere Nase gelegt bekommen: in Schulen, die uns Courage lehren wollen, und verhindern wollen, dass wir uns zu Rassisten entwickeln.

Dass in aktuellen Lehrwerken immer noch solche veralteten Texte aufzufinden sind, zeigt jetzt eine Studie der Universität Hildesheim.

Und wieso?

Zunächst einmal ein kleiner Ausflug in die deutsche Geschichte: 1955 wurden von der Bundesregierung Ausländer angeworben, um in Deutschland zu arbeiten, da die Arbeitslosigkeit (vor allem in Italien) sehr groß war und die Konzerne in Deutschland billige Arbeitskräfte gut gebrauchen konnten. Damals, und bis in die Ära Kohl, sollten die Schüler auf ein Zusammenleben mit den „fremden Kulturen“ sensibilisiert werden, das spiegelt sich auch in den Schulbüchern wieder.

Aber leider ist unser Bildungssystem nicht in der Lage, uns zeitgemäße Bücher zu besorgen, deshalb bleiben eben die Bilder und Texte, die vor 30 Jahren geschrieben wurden, als die Kohl-Regierung davon ausging, die Gastarbeiter würden mit ihren Familien nur vorübergehend in Deutschland bleiben und nicht dachte, dass viele von ihnen hier eine neue Heimat gefunden haben.

Das ist skurril und genau das Gegenteil dessen, was die Schulen erreichen möchten – ein sorgenfreies Miteinander, egal, woher man kommt. Denn gerade Schulbücher prägen viele Kinder und was in Lehrwerken steht, wird oft als bare Münze genommen. So kommt es natürlich auch zu viel mehr Ausgrenzung – zum Beispiel, wenn es in einer Aufgabe [Link zum Artikel] heißt: „Teilt eure Klasse in Deutsche und Ausländer, um diese Aufgabe zu lösen.“

Wie sieht das bei uns aus?

Nach einer kurzen Recherche in einigen Lehrwerken unserer Schule, unter anderem zwei Sozialkundebüchern und dem Büchner-Kompendium für Politik wurde klar: Hier ist nichts an rassistischen Kommentaren zu finden. Was daran liegen könnte, dass das Thema Migration nur in einem einzigen Sozialkundebuch zu finden ist, und dort auch nur auf einer Doppelseite. Das Büchner-Kompendium für Politik scheint den Klimawandel für wichtiger zu halten und im Geschichtsbuch der 10. Klassen wird das Thema konsequent ignoriert.

Und gerade das ist ziemlich komisch, denn wir, die Schüler, sollen ja über diese Themen informiert werden. Wir sollen uns wohl selbst informieren, scheint die Meinung der Verlage zu sein. Und das ist bei der akuten Politikverdrossenheit unter Jugendlichen ziemlich schwierig, denn wer (außer Hardcore-Nerds wie mir) recherchiert schon freiwillig über so ein Thema.

Und was nun?

Die einzelnen Verlage sollten ihre Autoren mehr in Bezug auf Sensibilität zum Thema Rassismus schulen. Einige großen Verlage haben schon zu den Ergebnissen der Studie Stellung genommen und versprachen, Änderungen vorzunehmen, was allerdings einige Zeit beanspruchen würde.

Und die Verläge, von denen unsere Bücher stammen, sollten langsam beginnen, das Thema überhaupt als relevant einzustufen und darüber zu schreiben, denn es kann keine Lösung sein, das Thema einfach zu ignorieren.

(Tilmann Koch, 7c)

Quellen:

Spiegel Online: Vorurteile in deutschen Schulbüchern

Studie der Migrationsbeauftragten

Bayerisches Geschichtsbuch (SPON)

 

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Eine Antwort zu „Muslime und Russlanddeutsche“ – Klischees in Schulbüchern

  1. Sehr aktuell, sehr gut geschrieben! Schüler sollten sich mit dem Thema Migration intensiv beschäftigen.
    Sergej Buragin
    Vorsitzender des Beirates für Migration und Integration Neustadt Wstr.

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