„Civil War“: Wenn im Land der unbegrenzten Möglichkeiten Bürgerkrieg herrscht

Ein Attentat in Manhattan (Bild: A24 / DCM)

Die USA: Popkultur, Patriotismus und Profite. Doch was wäre wenn im Land der „unbegrenzten Möglichkeiten“ Bürgerkrieg herrschen würde? Der Roadmovie „Civil War“ beantwortet diese Frage, und schreckt dabei nicht zurück. Stattdessen zeigt der Film brutale Kriegs- und Attentatsszenen in einem zwiegespaltenem Amerika. Mittendrin: vier Kriegsjournalisten, welche tausende Kilometer durch das Land reisen, und dabei ihr Leben aufs Spiel setzen müssen.

Die ersten Minuten

Der US-Präsident (Nick Offerman) steht vor dem Spiegel und übt seine Rede. Immer wieder wiederholt er den selben Satz, seine Sprechhaltung verändert sich von mal zu mal. Während der de-facto-Diktator seine nun verfassungswidrige dritte Amtszeit ausübt, werden Bilder von echten Demonstrationen eingeblendet. Darauf zu sehen sind Demonstraten, wie sie auf brutalste Art und Weise von Polizisten niedergeprügelt werden. Nun wird die Stimme des Präsidenten amtlicher, selbstbewusster, lauter. Seine Pose verändet sich und er spricht nun nicht mehr vor seinem Spiegel, sondern Live im Fernsehen. Der Präsident fordert in seiner Rede dazu auf, die Sezessionsregierungen friedlich niederzulegen, und verkündet dabei Stolz den „Bürgern von Amerika“, dass man einem „historischen Sieg so nah wie noch nie zuvor“ sei.

Was der Zuschauer als „einfache Anfangsszene“ zu empfinden vermag, stellt sich schnell als eine wichtige Schlüsselszene heraus. Den historischen Sieg, welcher angeblich so nah ist wie noch nie zuvor, wird es nicht geben. Denn in naher Zukunft, in welcher der Film spielt, herrscht Krieg in den USA. Bürgerkrieg. Der Staat Florida, unter der „Florida Alliance“, sowie die Staaten Texas und Kalifornien unter dem Namen „Western Forces“, haben sich von den USA als unabhängig erklärt, und greifen die USA an. Am 4. Juli, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag, soll in Washington durch die Western Forces das Weiße Haus eingenommen und der Präsident hingerichtet werden.

Am nächsten Tag befindet sich die renommierte Kriegsfotografin Lee (Kirsten Dunst) in Brooklyn bei einer Demonstration. Dort trifft sie auf die angehende Kriegsfotografin Jessie (Cailee Spaeny), welche von einem Polizisten mit einem Schlagschock auf der Nase getroffen wird. Schützend nimmt Lee sie zu sich und die beiden verstecken sich hinter einen Streifenwagen, links im Bild rennt eine Person mit einer großen USA-Flagge in die Menschenmenge hinein. Wenige Sekunden später überschattet eine Explosion das Bild, die rennende Person war ein Selbstmordattentäter; für Lee und Jessie: Glück im Unglück.

Im Dienste des Journalismus

Unsere Protagonisten sind vier Kriegjournalisten: Die eben bereits erwähnte Lee Smith, eine wohlbekannte Kriegsfotografin aus Colorado, welche als das jüngste Mitglied von „Magnum Photos“ bekannt wurde. Ihr Name spielt auf die berühmte Kriegsfotografin Lee Miller an, welche im Zweiten Weltkrieg Bilder der Konzentrationslager Buchenwald und Dachau schoss. Schon lange an Lees Seite ist Joel (Wagner Moura), ein Journalist aus Florida, welcher der internationalen Presseagentur Reuters angehört. Mit von der Partie ist die angehende Fotografin Jessie Cullen aus Missouri, welche von Joel mit auf die Reise gelassen wurde. Vollendet wird das Journalistenquartett durch Lees Mentor Sammy (Stephen McKinley Henderson), ein altgedienter Journalist der New York Times.

Doch was für eine Reise? Lee und Joel möchten nach Washington reisen, um den US-Präsidenten zu interviewen und fotografieren, ehe die Stadt fällt und der Präsident hingerichtet wird. Dabei bittet sie Kollege Sammy jedoch, sie bis zur Militärbasis in Charlottesville zu begleiten, weil sich dort die Western Forces aus Texas und Kalifornien versammeln, um zusammen nach Washington zu ziehen. Trotz Lees Zögern stimmen die beiden zu. Am nächsten Tag, als das Trio aufbrechen will, ist Jessie plötzlich im Auto. Sie möchte mitkommen, und hatte noch bevor der Abfahrt Joel überredet, sie auch mitzunehmen. Was als harmloser Roadtrip beginnen sollte, wird schnell zu einer Reise durch ein geteiltes Amerika.

Die Überbleibsel eines Highways (Bild: A24 / DCM)

Eine herausragende Stärke von „Civil War“ liegt in seiner eindringlichen Darstellung der Rolle der Medien während bewaffnetener Konflikts. Die Protagonisten sind keine Soldaten, sondern Journalisten, die mehr oder weniger mit ihren Kameras bewaffnet sind, um die Wahrheit festzuhalten. Diese Kriegsjournalisten werden zu den Helden des Films, die trotz der Gefahr ihre Pflicht erfüllen, die Realität des Krieges zu dokumentieren. Ihre Reise durch ein von Gewalt gezeichnetes Amerika soll eine tiefgreifende Reflexion über die Bedeutung von Wahrheit und Verantwortung in einer von Propaganda geprägten Welt bieten. Allerdings werden auch negative Seiten des Journalismus beleuchtet, so wie die Gier nach dem sogenannten „Money Shot“, also DEM Schnappschuss, welcher das große Geld bringen soll.

Gänsehaut durch Stille

„Civil War“ ist kein patriotischer Kriegsfilm, mit spektakulären Explosionen, mit Rockmusik und Happy End. Stattdessen bricht der Film mit den Konventionen des typischen Kriegsfilms, und es gibt kein großes Chaos, kein lautes Schreien oder Blutspritzen, sondern betretene Stille und beklemmende Atmosphäre. Minutenlange Stille prägen die blutige Szenen und machen den Film einzigartig. Sie fordern zum Innehalten auf und lassen uns in der Rolle des Zuschauers verweilen.

Die Auswahl der Musik ist gerade weil sie so unpassend wirkt, gut gelungen. So spielt nach der oben genannten Attentatsexplosion Silver Apples „Lovefingers„, ein psychedelisches Lied aus den 60ern, welches die Dystopie im Film gerade nur so untermalt. Die stark elektronisch wirkende Musik mithilfe von verzerrten Oszillatoren passt gut in das Image des verzerrten Amerikas.

Auch im Finale, im Weißen Haus in Washington, verzichtet man auf Musik. Keine actionreiche Musik, sondern nur die Schüsse der Waffen, die Rufe der Soldaten sowie das Klicken der Kameras. Diese nüchterne Darstellung des Konflikts verstärkt die Realitätsnähe des Films und hinterlässt beim Zuschauer einen bleibenden Eindruck. Zur Realitätsnähe tragen auch die kurzen Einblendungen, sogenannte „Jump-Cuts“, der entwickelten Filmbilder aus Jessies alter Schwarz-Weiß-Kamera in angespannten Situationen bei.

Fazit

Gerade aus journalisitischer Sicht hat mich der Film sehr interessiert, aber ich denke, dass „Civil War“ nicht nur für Journalisten, sondern für alle Zuschauergruppen, die sich für politische Dramen und dystopische Szenarien interessieren, fesselnd ist. Den Patriotismus und die Popkultur rund um die USA zu hinterfragen und diese in einen Bürgerkrieg stürzen zu lassen, ist mutig und bietet eine ungewöhnliche Perspektive auf ein Land, das oft als Inbegriff von Freiheit und Erfolg und oft als Weltpolizei dargestellt wird. Ob ein solches Hinterfragen jedoch abwegig ist? Noch nie waren die USA politisch so gespalten wie heute. Regisseur Alex Garland verzichtet hier bewusst auf eine Parteinahme in Bezug auf die politischen Konflikt in der USA und bietet dem Publikum eine düstere Vision einer Gesellschaft, die von inneren Spannungen zerrissen ist. „Civil War“ ist kein leicht verdaulicher Film, sondern eine eindringliche Warnung vor den Folgen von Spaltung und Gewalt.

Originaltitel: Civil War
Produktionsland: Vereinigtes Königreich, USA
Produktionsjahr: 2024
Genre: Action, Drama, Dystopie
FSK: ab 16
Regie: Alex Garland
Darsteller: Kirsten Dunst, Wagner Moura, Cailee Spaeny, u. a.
Länge: 109 Minuten

Ruben Wagner (11. Jgs.)

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