Geschichtsexkursion der 10b zur Villa Böhm: Neustadt zur Zeit des Nationalsozialismus

Schon seit einiger Zeit behandelte die 10b das Dritte Reich im Geschichtsunterricht. Es war darum ein glücklicher Zufall, dass die Ausstellung über die lokalen Zeitgeschehnisse, so nah und zeitgleich offen war. Anfang der 3. Stunde waren wir zur Villa Böhm hinaufgelaufen. Dort sollte eigentlich eine Führung stattfinden, da der Referent sich jedoch verspätet hatte, erkundete die Klasse zunächst auf eigene Faust die Räumlichkeiten. Am Freitag, den 17.9. 2021, machte sich die 10b mit ihrem Geschichtslehrer Herrn Hoffmann zu einer Exkursion zur nahe gelegenen Villa Böhm auf. Das Thema:  Neustadt an der Weinstraße  und der Nationalsozialismus. Eine Schülerin berichtet.Bild vergrößern: Banner NS Ausstellung

Bereits wenn man die große Steintreppe hinaufläuft, wird man mit Fragen konfrontiert: Was machte der Nationalsozialismus mit den Menschen? Und was machten die Menschen mit dem Nationalsozialismus? Das alles sind Fragen, die die Ausstellung beantworten will. Das Ganze ist mit Schwarz- Weiß-Fotografien der damaligen Zeit, zum Teil auch aus Neustadt und Umgebung, untermauert. Im Eingangsbereich steht die erste Infotafel: Nationalsozialismus in der Gauhauptstadt. Hervorgehoben wird dabei der Begriff der Volksgemeinschaft. Ein Begriff, der zu seiner Zeit von allen Parteien gebraucht, von den Nazis allerdings auch missbraucht wurde.

Raum 1: Neustadter Traditionen

Im ersten Raum wird man empfangen in einer typischen Pfälzer Weinstube mit Weinflasche auf dem Tisch und Gläsern im Regal. Die Pfälzer Weinkultur wurde aber missbraucht. Erst die Nationalsozialisten benannten Neustadt an der Haardt in Neustadt an der Weinstraße um, aus propagandistischen Zwecken, um die Wirtschaft vor Ort anzukurbeln. Das Gemeinschaftsgefühl ebnete den Weg zur Volksgemeinschaft. Ein weitere Tradition ist das Hambacher Schloss, auf dem keine hundert Jahre zuvor die Demokratie propagiert wurde. Das Gedenken daran war aber mit der Zeit immer nationalistischer geworden. Warum Neustadt Gauhauptstadt wurde, statt zum Beispiel Mainz oder Kaiserslautern, geschah wohl mehr aus persönlichen Präferenzen der Entscheidungsträger. Der damalige Gauleiter Josef Bürckel nannte die Pfalz stolz als den ersten judenfreien Gau. Hier lässt sich nicht leugnen, dass auch die Bevölkerung ihren Teil zu einer sehr raschen nationalsozialistischen Entwicklung beigetragen hat.

Warum hatte die NSDAP auch in Neustadt leichtes Spiel?

  1.  Die Nähe zu Frankreich hatte ihre Narben hinterlassen: 1918-1930 war Rheinlandpfalz von französischen Soldaten besetzt worden. Die daraus entstandene antifranzösische Stimmung ebnete  gewissermaßen den Weg für den Aufstieg des Nationalsozialismus in der Pfalz.
  2. Die NSDAP präsentierte Stärke durch Großveranstaltungen. Am 29. Juli 1932 sprach Hitler in Neustadt. 50- 60 000 Menschen nahmen an der Veranstaltung teil. Besonders beeindruckend fand ich ein Foto der Friedrichsstraße, ein so bekannter Ort, der hier aber entfremdet wurde durch hunderte Hakenkreuzfahnen, die zu Begrüßung Hitlers aufgehängt worden waren; das war die Voraussetzung für die Veranstaltung gewesen.
  3.  Auch in Neustadt war die Sturmabteilung der NSDAP sehr aktiv. Photos und Tätersteckbriefe der Neustadter SA- Männer sollen dies noch einmal hervorheben. Dort lässt sich im übrigen auch beobachten, wie die Biographien der Männer nach 1945 eher normale, unbehelligte Leben beschreiben. Die Konsequenzen für ihre Straftaten blieben aus.
  4. Das frühe Konzentrationslager Neustadt in der Turenne-Kaserne, bestand gerade mal zwei Monate. Doch wurden dort 450 Menschen in neu eingeführten Schutzhaft festgehalten.  Hier muss betont werden, dass die Bevölkerung durchaus über das (frühe) Konzentrationslager Bescheid wusste. In der Presse wurden die Erziehungsanstalten, natürlich unter einem rosarotem Filter, genauestens beschrieben und befürwortet.
  5. Eine Infotafel handelt von der Hitlerjugend und dem Bund deutscher Mädel (BDM), die für die Indoktrinierung der Jugend eine große Rolle spielten. So sieht man hier die strahlenden Gesichter der Königsbacher HJ, und hört von der Zeitzeugin Hilde Eibelshäuser einen Bericht von der Attraktivität dieser Gruppen.

Was bedeutete dies für die Bevölkerung?

Der Aufbau eines weiteren Raumes ist sehr bildlich gestaltet. Er zeigt, wie die Volksgemeinschaft funktioniert hat. In der Mitte stehen die Infotafeln zur Volksgemeinschaft. Sport, Musik, Frauen, die Arbeitsgemeinschaft, die Kirche und der Wein. In den Ecken findet man die Ausgestoßenen. Tafeln über die Neustadter Juden, „Asoziale“, Behinderte und Homosexuelle, wovon einige in der Nervenanstalt Klingenmünster ermordet und kastriert wurden. In der Mitte des Saales stehen vier Stühle. Diese Stühle wurden Juden aus der Neustadter Umgebung abgenommen und „arisiert“, also an Bedürftige innerhalb der Volksgemeinschaft vergeben. Und das verbildlicht noch einmal, wie die Volksgemeinschaft funktioniert hat: Das „Gute“ konnte es ohne das Leid der anderennicht nicht geben. Die Volksgemeinschaft profitierte vom Ausschluss anderer.

Die Nachkriegsszeit und die verschiedenen Phasen der Aufarbeitung.

Die frühe Nachkreigszeit war geprägt von einer Art Hoffnung. Nationalsozialisten wurden entlassen und enteignet, viele aber übersehen. Mit der Zeit setzte sich das Vergessen der Deutschen durch. Man schaute nach vorne und nicht mehr zurück. 1950 wurde Neustadt wieder zu Neustadt an der Weinstraße umbenannt. Erst in den 1980iger Jahren wurde durch die neue Generation dieses Narrativ hinterfragt. Dank den damaligen Kritikern wurde und wird bis heute in Neustadt und Deutschland vieles aufgearbeitet. Und doch gibt es immer noch Lücken, die zu schließen sindm und Dinge, die es zu ändern gibt.

Fazit

Ich persönlich fand die Ausstellung und die dazugehörigen Angebote sehr interessant. Ich muss gestehen, dass ich mit der Erwartung in die Ausstellung kam, einen deutlich größeren Anteil über Joseph Bürckel und konkrete Geschehnisse in Neustadt zu sehen. Die Ausstellung war an manchen Stellen ein wenig allgemein. Sie ist allerdings stets mit Anschauungsmaterial aus Neustadt und Umgebung gespickt gewesen. Und die Forschungsegebnisse stammen ebenfalls von Neustadter Quellen. Wen das Thema interessiert, für den ist die Ausstellung sowie die Webseite mit einer beinahe erschlagenden Angebotsvielfalt ein Muss! Es ist nach wie vor wichtig, sich mit dem Thema auch lokal auseinander zu setzen und besonders dort, wo es wehtun mag, noch einmal nachzubohren.

Was ist deine Meinung?

  • Müssen die deutsche Weinstraße und die Weinkönigin wegen ihrer NS Vergangenheit abgeschafft werden?
  • Sollte Neustadt an der Weinstraße wieder in Neustadt an der Haardt umbenannt werden?
  • Muss das Bürckelgrab bestehen bleiben?Diese Fragen hängen im letzten Raum der Ausstellung aus. Nach der Führung blieb unserer Klasse leider nicht die Zeit, sie zu beantworten. Schreibt doch eure Meinung unten in die Kommentare.

Wen dieses Thema interessiert, der kann über https://neustadt-und-nationalsozialismus.uni-mainz.de/ auf eine riesige Sammlung an Wissen und Angeboten zurückgreifen, die vom Team der Uni Mainz und der Projektleiter Dr. Markus Raasch gesammelt und ausgewertet haben. Es gibt ein digitales Schulbuch, ein Lexikon, ein Zeitzeugenverzeichnis und sogar eine digitale Führung durch die Ausstellung. Zudem verweisen wir auf unseren Artikel über Neustadts „braune Vergangenheit“.

Es gibt auch den Sammelband: Volksgemeinschaft in der Gauhauptstadt. Neustadt und der Nationalsozialismus, erschienen 2020 im Aschendorff-Verlag. 

 

Josepha W.

Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Kommentare sind geschlossen.