Schulöffnung: Zu früh, zu unsicher

Am Montag geht es zurück in die Schule – für manche von uns. Weshalb das falsch ist. Ein Kommentar.

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aus: Pixabay.de


Ab dem kommenden Montag, 4. Mai öffnet das „Käthe“ zusammen mit den anderen Gymnasien in Rheinland-Pfalz wieder seine Türen – zumindest für die zehnte, elfte und zwölfte Jahrgangsstufe. Außerdem betroffen von der Einigung, die Bund und Länder in den Osterferien getroffen haben, sind Viertklässler*innen – auch sie müssen zurück.

Die Debatte um die Schulöffnungen ist beachtlich: Denn sie kam weitgehend ohne Einbezug von Schüler*innen und Lehrer*innen aus. Sicher, es gab einige Stellungnahmen von Lehrer*innenvertretungen – aber geformt wurde die Schulöffnung durch die Empfehlungen der Nationalakademie Leopoldina, die nebenbei gemerkt mehr „Jürgens“ als Frauen zählt, durch Bildungspolitiker*innen, die vermutlich selten eine Schule von innen gesehen haben.

Würden die Bildungspolitiker*innen nämlich regelmäßig die Schule besuchen, wüssten sie: Schon zu „normalen“ Grippe-Zeiten ist warmes Wasser und Seife zum Händewaschen eine Seltenheit. Desinfektionsmittel gibt es nicht. In den engen Gängen der Schulhäuser anderthalb Meter Sicherheitsabstand zu halten ist im normalen Schulbetrieb mehr als schwierig.

Nun dafür zu sorgen, dass die Schulen den Maßgaben des Infektionsschutzes entsprechen – das ist ein Kraftakt, der Lehrer*innen und Schüler*innen abverlangt wird. Ob das möglich ist, weiß ich nicht. Am kommenden Montag werden wir es sehen. Ob die Schulöffnung zwingend nötig war? Meines Erachtens: Nein.

Bildungslücke durch geschlossene Schulen?

Oft wurde als Argument angeführt, dass durch die Wochen ohne Präsenz-Schule eine unerträglich große Bildungslücke entstünde. Gerade für Schüler*innen aus bildungsferneren Haushalten sei das nicht stemmbar.

Sicher zeigt die Krise auf, dass es in Deutschland große soziale Ungleichheiten gibt. Doch Infektionsschutz sollte im Zweifel wichtiger sein, als ein paar Wochen Präsenz-Schule. Und Möglichkeiten, die dadurch entstehenden Ungleichheiten auszugleichen, gebe es zur Genüge – zum Beispiel, indem der prüfungsrelevante Lehrplan gekürzt wird. Außerdem darf man nicht vergessen: Die Ungleichheit im Bildungssystem ist letztendlich Symptom einer tiefer sitzenden, gesellschaftlichen Ungleichheit – wenn es aber darum geht, diese zu beseitigen, sind die tapferen Kämpfer für „Gerechtigkeit“ durch Schulöffnung nicht mehr dabei.

Keine Gefahr für junge Menschen?

Auch dass Schüler*innen überhaupt in Gefahr sind, wird hin und wieder angezweifelt – schließlich seien doch junge Menschen gar nicht so betroffen von Covid-19.

Zunächst: Viele Schüler*innen haben trotzdem direkten Kontakt zu Risikopersonen – sei es die Oma, die im selben Haus wohnt, oder der Vater mit Krebs-Vorgeschichte. Einige Schüler*innen sind auch selbst vorerkrankt.

Und gerade, dass trotzdem viele Covid-19-Fälle bei jüngeren Menschen einen leichten Verlauf nehmen oder symptomfrei verlaufen, ist eine Gefahr: Denn so laufen Infizierte Gefahr, gar nicht zu merken, dass sie infiziert sind, und verbreiten das Virus so munter unbemerkt weiter.

Schule als Kinderbetreuung?

Und schließlich gibt es die Menschen, die argumentieren, man bräuchte die Schulöffnung, damit Eltern nicht ihre Kinder betreuen müssten und arbeiten könnten.

Doch daraus ziehen sie den falschen Schluss – denn kostenfreie Kinderbetreuung ist nicht der Hauptzweck der Schule. Notbetreuungen für Kinder von Eltern, die in systemrelevanten Berufen arbeiten, wurden eingerichtet – im Zweifel müssten diese ausgebaut werden. Und die vom Betreuungsproblem betroffenen Schüler*innen sind von der nun beschlossenen Schulöffnung im Großteil nicht betroffen – schließlich bleiben die Grundschulen ja bis auf die vierten Klassen geschlossen.

Zusammengefasst: Die Schulen zu öffnen, ist eine falsche Entscheidung. Sie ist zu früh und unverhältnismäßig. Wie gefährlich sie tatsächlich ist, wird sich zeigen – das hängt davon ab, wie die Infektionsschutzmaßnahmen umgesetzt werden, und ob es gelingt, Abstand zu halten. Schon jetzt ist aber klar: Eine Gefahr ist nicht zuletzt auch das politische Signal, das mit der Schulöffnung gesendet wird. Wer die Corona-Politik der letzten Tage verfolgt, mag den Eindruck gewinnen, wir stünden am Ende der Pandemie und könnten zur Normalität zurückkehren – dabei sind wir davon noch weit entfernt.

 

Tilmann K.

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