Jugendgedenkfahrt nach Gurs

 

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v.l.n.r. Myriam Klein, Paul Niedermann, Margot Wicki- Schwarzschild, Melina Neß

Vom 22.10. bis zum 28.10.15 hatten Myriam und ich die Gelegenheit, mit dem Bezirksverband Pfalz an der Jugendgedenkfahrt nach Gurs teilzunehmen. Anlässlich des 75. Jahrestages der Deportation der pfälzischen und badischen Juden nach Gurs, fuhren wir – 40 jüdische und nichtjüdische Jugendliche aus der Pfalz und Baden – dorthin, wo der Leidensweg der Juden begann.

Am 22.10 fuhr unsere Reisegruppe morgens mit dem Bus los in Richtung Frankreich. Am Abend, nach fast 12 stündiger Fahrt, erreichten wir die Gemeinde Izieu in der Region Rhône-Alpes. Dort erhielten wir am nächsten Tag eine Führung auf Deutsch und Französisch über den Schicksalsort Maison d‘ Izieu. Das Maison d‘ Izieu war ein ehemaliges jüdisches Kinderheim, das 1943 allen jüdischen Kindern aus Deutschland, Belgien, Österreich etc. Schutz vor dem nationalsozialistischen Terror bieten sollte. Jedoch wurde das Kinderheim schließlich von der Gestapo entdeckt und die Kinder, sowie deren Betreuer, deportiert und in Auschwitz vergast. Der Besuch des ehemaligen Kinderheimes, sowie des nebenan errichteten Museums, war sehr bewegend und führte uns vor Augen, dass selbst die Kleinsten nicht verschont wurden.

Maison d' Izieu

Maison d‘ Izieu

Nachdem wir das Maison d’Izieu besichtigt hatten, hatten wir am nächsten Tag die Möglichkeit  einen Lagerrundgang durch das Camp de Gurs zu machen. Während der Wagner-Bürckel Aktion 1940, die die Absicht hatte, alle Juden zu deportieren, um die Pfalz und Baden „judenfrei“ zu machen, wurden die Juden in Waggons nach Oloron gebracht, von wo sie schließlich bis in das Lager Gurs laufen mussten. Das Camp de Gurs, im Süden Frankreichs, diente bereits vor dem Zweiten Weltkrieg für Flüchtlinge des Spanischen Bürgerkrieges und wurde nun auch für die deportierten Juden genutzt, die dort in Barracken hausen mussten. Unhygienische Zustände, Schlamm, der bis zu den Knien ging, und Hunger führten dazu, dass hier ca. 1200 Menschen starben. Die restlichen Juden wurden über Drancy weiter nach Auschwitz deportiert, um sie dort zu ermorden. Da nach Ende des Krieges Barracken und Zeugnisse des Lagers vernichtet worden sind, ist heute nur noch eine rekonstruierte Barracke zu besichtigen, wodurch es schwierig war, sich vorzustellen, welch Elend hier wirklich war. Deshalb waren wir froh, dass uns Historiker und Kenner der Thematik begleiteten, die uns allerlei Fragen beantworten konnten.

Eingang zum Lager Gurs

Eingang zum Lager Gurs

Der Bezirksverband ermöglichte uns auch den Kontakt zu französischen Jugendlichen, die mit uns Workshops bearbeiteten. Im Rathaus von Oloron-Sainte-Marie befassten wir uns noch einmal genauer mit der Situation 1940, sowie mit der Aufarbeitung und Auffassung in der Bevölkerung. Nachdem wir uns so mit den französischen Jugendlichen austauschen konnten, hatten wir am nächsten Tag die Chance die jüdische Synagoge in Pau zu besuchen. Dort erzählte uns der Rabbiner der Gemeinde über die Religion und auch die Situation der Juden in seiner Gemeinde zur Zeit des Nationalsozialismus. Dadurch dass die Synagoge Tag und Nacht von bewaffneten französischen Truppen bewacht wird, wurde uns noch einmal verdeutlicht, dass selbst 70 Jahre nach Ende der Naziherrschaft keine Entspannung und friedliche Koexistenz der Religionen möglich ist. Leider werden heutzutage die Synagogen oftmals noch Ziel von Anschlägen,die diese Maßnahmen nötig machen.

Die Synagoge in Pau

Die Synagoge in Pau

Am gleichen Tag fuhren wir noch einmal nach Gurs, um an der Gedenkveranstaltung auf dem Deportiertenfriedhof anlässlich des 75. Jahrestages der Deportation teilzunehmen. Zeitzeugen, wie Paul Niedermann, Eva Mendelssohn und Margot Wiki-Schwarschild sowie die Delegierten aus Deutschland, Frankreich etc. nahmen an dieser Veranstaltung teil. Vor allem durch die Reden der Zeitzeugen und die hebräischen Gebete, die von einem Rabbi gesprochen wurden, erhielt die Veranstaltung noch einmal eine besondere und auch persönliche Atmosphäre.

Gedenken an die Deportierten

Gedenken an die Deportierten

Der Deportiertenfriedhof mit Namen und Herkunftsort der Juden

Der Deportiertenfriedhof mit Namen und Herkunftsort der Juden

An unserem vorletzten Tag hatten wir noch die Gelegenheit an einem Zeitzeugengespräch der angereisten Zeitzeugen teilzunehmen. Herr Niedermann, Frau Wiki- Schwarzschild und Frau Mendelssohn schilderten uns ihr Leben in Deutschland vor der Deportation, das sich doch so kaum von unserem Leben zu unterscheiden schien. Bis der nationalsozialistische Terror spürbar wurde, führten alle drei ein normales Leben mit ihren Familien in Karlsruhe, Kaiserslautern und Offenburg. Bis sie schließlich im Zuge der Wagner-Bürckel Aktion verschleppt und deportiert wurden. Allen drei liegt es am Herzen vor allem die Jugend anzusprechen und ihnen von ihrem Schicksal zu erzählen. So etwas wie damals soll nie wieder geschehen, weshalb sie sich immer wieder die Mühe machen und alle Anstrengungen in Kauf nehmen, um Schulen und andere Institutionen zu besuchen.

Bevor wir den langen Weg zurück nach Deutschland antraten, besuchten wir noch das Lager Rivesaltes, das ca. 45 km von der spanischen Grenze entfernt liegt und ebenfalls als Internierungslager diente. Im Vergleich zum Camp de Gurs befinden sich auf dem  612 Hektar große Lagergeländer noch ehemalige Barracken, in denen die deportierten Juden untergebracht waren. Rivesaltes wurde im Laufe der Zeit mehrfach umfunktioniert, weshalb die Barracken nicht entfernt wurden. Vor kurzem hat auf dem Gelände auch das Memorial eröffnet, dass Besuchern zusätzlich Informationen, Bilder und Videos bietet und so die damalige Situation rekonstruiert. In Rivesaltes war während unseres Rundgangs vor allem der enorme Wind zu spüren, an den sich auch Margot Wiki- Schwarzschild erinnern kann. Vor allem für die unterernährten inhaftierten Kinder, war dieser extreme Wind zudem eine Belastung.

Eine Barracke in Rivesaltes

Eine Barracke in Rivesaltes

Das Lagergelände

Das Lagergelände

Mit vielen Eindrücken, die wir noch nicht völlig eingeordnet hatten, fuhren wir zurück nach Deutschland.

Alles in allem war es eine sehr interessante und auch eindrucksvolle Fahrt, auf der wir viel mitnehmen und erfahren konnten. Wir hatten die Möglichkeit, die Orte zu besuchen, an denen der Leidensweg der Juden seinen Lauf genommen hat. Allein die Vorstellung, dass diese eine Zwischenstation war, die für die meisten mit der Vergasung in Auschwitz endete, reichte, um sich betroffen zu fühlen. Es ist oftmals schwer vorstellbar, dass sich auch regional, also hier bei uns in der Pfalz, solch eine Deportation ereignet hat. Die Juden kamen aus Königsbach, Deidesheim, Neustadt, Kaiserslautern, Landau und anderen Orten der Pfalz und Baden. Sie waren bis zu diesem Moment integrierte Deutsche und führten ein ganz normales Leben, bis sie schließlich verschleppt und ermordet wurden.

 

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