Schulleben

Zur Sache: das Sitzenbleiben abschaffen?

Sitzenbleiben

Zurzeit wird in den Medien über das Abschaffen des Sitzenbleibens berichtet. Einige Politiker sind der Auffassung, dass das Sitzenbleiben teuer und nicht pädagogisch sinnvoll sei. Doch diese Meinung stößt auf viel Widerspruch, denn viele sehen das Sitzenbleiben auch als weitere Chance, die den Schulweg erleichtert. In Rheinland-Pfalz wurde bereits durchgesetzt, dass es zehn Testschulen geben wird, die das neue Schulmodell ausprobieren sollen. Wir haben uns gefragt, was alles für bzw. gegen das Abschaffen des Sitzenbleibens spricht, was eigentlich die Meinung der Schülerschaft und der Lehrerinnen und Lehrer zu diesem Thema ist.

Die einen jubeln, die anderen schütteln den Kopf: Wie man in den letzten Wochen erfahren konnte, planen einige Bundesländer das Abschaffen des Sitzenbleibens. Der Grund: zu teuer, unwirksam und demotivierend für die Schülerschaft.
Auch im Landtag scheiden sich die Geister, sobald es um das Thema „Sitzenbleiben“ geht. Die derzeitige rot-grüne Regierung hatte die Debatte schließlich maßgeblich ausgelöst. Sie, unter anderem Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD), verabschiedeten einen Modellversuch. Dabei sollen zirka zehn rheinland-pfälzische Schule zeitweise darauf verzichten, Schülerinnen und Schüler zurückzustufen. Stattdessen sollten gezielte und individuelle Förderungen diese Maßnahme überflüssig machen, welche ohnehin laut Studien keinen positiven Lerneffekt bringe.
Diese Pläne werden von der CDU-Opposition und dem Philologenverband, einem Lehrerverband,  scharf kritisiert. Guido Ernst (Bildungspolitiker, CDU) sieht im Sitzenbleiben die Möglichkeit zum Neuanfang und die Förderung der Eigenverantwortung der Schülerinnen und Schüler. Darüberhinaus schlussfolgert er, dass das Land wohl bald die Notengebung abschaffen werde.
Die GEW, ein weiterer Lehrerverband, wie auch der Landeselternbeirat dagegen begrüßen die angedachte Reform, um u.a die „Beschämungskultur“ zu beenden.

Doch was  denken Betroffene, allen voran Schüler und Lehrer? Stichprobenartig haben wir verschiedene Jahrgangsstufen befragt – und waren erstaunt:

Sollte man das Sitzenbleiben abschaffen? (Befragung der Lehrerinnen und Lehrer)

  • Nein (93%, 43 Votes)
  • Ja (7%, 3 Votes)

Total Voters: 46

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Sollte man das Sitzenbleiben abschaffen? (Befragung einer 9. Klasse)

  • Nein (87%, 13 Votes)
  • Ja (13%, 2 Votes)

Total Voters: 15

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Sollte man das Sitzenbleiben abschaffen (Befragung von zwei 10. Klassen)?

  • Nein (94%, 51 Votes)
  • Ja (6%, 3 Votes)

Total Voters: 54

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Nur ein Bruchteil der Befragten ist gegen das Sitzenbleiben, eine überragende Mehrheit befürwortet die „Ehrenrunde“; bei den Lehrkräften sicherlich kein ungewöhnliches Ergebnis – aber warum auh bei der Schülerschaft?! Schauen wir uns einmal zwei verschiedene Positionen  zum Thema an:

Dafür sprechen etliche Punkte, in erster Linie die Kosten des Sitzenbleibens.
Das Wiederholen einer Klasse ist kostspielig; auch wenn man das vielleicht gar nicht annimmt. Die Anzahl der Schüler einer Klassenstufe steigt – im schlimmsten Fall muss eine Klasse geteilt werden. Es werden mehr Lehrer benötigt und es fallen mehr zu bezahlende Stunden an. Was nach einer recht unglaubwürdigen und übertriebenen Spekulation klingt, ist allerdings nachweisbare Realität. Laut dem ‚Spiegel’ fallen jedes Jahr alleine durch die berühmten „Ehrenrunden“ Kosten in Höhe von gut einer Milliarde Euro an. Ein immenser Betrag, der durch das bloße Abschaffen des Sitzenbleibens gespart werden könnte.

Doch nicht nur der Staat würde von einer Änderung der aktuellen Regelung profitieren. Auch für Schüler würde das Abschaffen des Sitzenbleibens positive Folgen mit sich bringen.
Beispielsweise sind gerade in der heutigen Zeit Schüler großem Leistungsdruck ausgesetzt; gute Noten und Resultate werden geradezu mit Selbstverständlichkeit erwartet. Und das Wiederholen einer Klasse ist keineswegs etwas, was diesen Druck nehmen würde. Anstatt es als zweite Chance zu sehen, sorgt es dafür, dass die Belastung der Schüler steigt und diese sich noch mehr unter Druck setzen. Niemand will ein Zeugnis seines Versagens – was Sitzenbleiben für viele Schüler zweifellos bedeutet. Anstatt in dem Wiederholen einer Klasse eine Möglichkeit zum Neuanfang zu sehen, ist es für viele Schüler einfach nur die Strafe für ein Jahr bestehend aus ungenügenden Leistungen, die drohend am Ende des Schuljahres lauert und von dort aus noch zusätzlichen Druck ausübt.

Doch nicht nur erwartete Leistungen sorgen für Belastung. Das falsche Umfeld und die daraus resultierende Atmosphäre tragen ebenfalls zu Unwohlsein und damit auch zur Belastung bei. Und in das unbequeme Umfeld kann man ganz leicht hineinrutschen, indem man nur einmal eine Klasse wiederholt. Man wird in eine neue, unbekannte Umgebung hineingezwungen und es wird erwartet, dass man trotz der extremen Umstellung ohne Probleme weitermacht. Für viele Menschen ist es gerade das vertraute, sichere Umfeld, das Lernen ohne Probleme ermöglicht. Nach mehreren Jahren aus der gewohnten Umgebung herausgerissen zu werden, könnte für viele Schüler ein Problem darstellen und würde somit auch keine gute Lernatmosphäre gewährleisten.

Allerdings sind es nicht nur der ungeheure Leistungs- und Sozialdruck, die mit der Abschaffung genommen wären. Dadurch dass es nichts mehr gäbe, was als eine Art Bestrafung schlechter Leistungen fungieren würde, läge es an den Schülern zu erkennen, wann ihre Situation kritisch wird. Sie würden lernen, ihre Lage selbst einzuschätzen und alleine für Änderung zu sorgen. Selbstständigkeit würde somit schon früh gefördert werden.

Der letzte Punkt, der für das Abschaffen des Sitzenbleibens spricht, wäre die Tatsache, dass es zu große Altersunterschiede innerhalb der Klassen gäbe. Es ist kein Problem, Schüler zu unterrichten, die alle ungefähr im gleichen Alter sind. Gibt es nun aber Klassen, in denen einige Schüler mindestens drei Jahre älter als andere sind, sieht die Situation schon anders aus. Andere Interessen und eine andere Lernhaltung sind beispielsweise wichtige Faktoren, die das Lernklima einer gesamten Klasse beeinflussen können und auf die auch die Lehrer bis zu einem gewissen Grad eingehen müssen und worauf es Rücksicht zu nehmen gilt.

Gegen die Abschaffung des Sitzenbleibens sprechen jedoch auch viele Argumente.

Der Ansporn würde fehlen und viele Schüler würden dadurch das Klassenziel nicht erreichen. Die Begründung hierfür ist klar ersichtlich. Die Schüler müssten keine Angst haben, nicht weiterzukommen, und würden daher oft keinen Ehrgeiz entwickeln. Es erscheint vielen unfair, wenn alle Schüler versetzt werden, ohne die dafür nötigen Leistungen erbracht zu haben. Oder soll Faulheit in Zukunft etwa belohnt werden?

Außerdem würde das Abschaffen des Sitzenbleibens keinesfalls zu einer besseren Lernatmosphäre beziehungsweise einem besseren Lernverhalten innerhalb der Klassen führen. Auch hier ist der Begründung klar. Da man jedes Jahr die schlechteren Schüler mitschleppt, fällt die Lernförderung der leistungsstarken Schüler flach  und der schnelle Lernfortschritt wird durch hinterherhinkende Schüler verhindert, denen Grundlagen fehlen und die fast keine Chance mehr haben auf den Lernstand der anderen zu kommen. Das Ziel einer weiteren Chance wäre somit nicht erreicht und ein guter Abschluss gefährdet. Wer sagt außerdem, dass alle potentiellen Sitzenbleiber lernwillig sind?

Als Drittes ist anzumerken, dass es den Ehrgeiz steigert,wenn das Sitzenbleiben nicht abgeschafft wird. Schließlich kann man mit einer Nachprüfung  schon heute in die kommende Jahrgangsstufe versetzt werden, obwohl man gefährdet ist (Dadurch ist das Sitzenbleiben zur Ausnahme geworden.). Der Ehrgeiz wird geweckt, um diese letzte Möglichkeit wahrzunehmen, doch in der Klasse zu bleiben. Auch strengt man sich, sollte man die Prüfung bestanden haben, im kommenden Jahr mehr an, da man selbst miterlebt hat wie es ist, gefährdet zu sein. Auch wenn der Schüler  sitzenbleibt, ist es doch eine 2. Chance , es zu schaffen und zu beweisen, dass er es besser kann als im Jahr davor.

Zu guter Letzt: Das Abschaffen des Sitzenbleibens passt nicht zu unserem zweigliedrigen Schulsystem. In Rheinland-Pfalz gibt es schon lange keine verbindliche Schulempfehlung mehr, genauso wenig wie ein Realschulabschlussprüfung. Was würde mit der Realschule Plus passieren, wenn auch noch das Sitzenbleiben abgeschafft werden würde? Würde sie dann auch nicht mehr „von den Eltern angenommen werden“, weil alle Eltern ihr Kind auf das Gymnasium schicken, da sie wissen, dass bis zur 9. Klasse sowieso nicht der Wechsel auf die Realschule Plus droht?

Selbst wenn das Nachsitzen abgeschafft werden sollte, darf den Schülern nicht die Möglichkeit genommen werden, freiwillig zu wiederholen. So kann der Schüler sich selbst einschätzen und so selbstständig entscheiden,ob er sich  bereit für den weiteren Lernstoff fühlt oder vernünftig genug ist und die Klasse wiederholt, um so entstandene Lücken wieder aufzufüllen,da er keine Grundlagen für die nächste Stufe hat und sich so nur noch mehr Lücken auftun würden.

Unser Fazit: Die Umfragen (im übrigen auch die offiziellen bezogen auf die Schülerschaft in anderen Bundesländern) haben klar gezeigt, dass Schülerinnen und Schüler eine solche Maßnahme nicht befürworten. Wir hoffen, dass der Schülerwillen respektiert wird.

Nun aber zu euch: Was denkt ihr darüber? Wir freuen uns auf Kommentare!

Sollte man das Sitzenbleiben abschaffen?

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Alessa M., Sarah P., Julia L., Carolin K., Laura K., Michelle H.

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