Der Altbau des KKG – eine altehrwürdige, denkmalgeschützte Erscheinung, die über der Altstadt thronend den Charme Neustadts prägt.
Der Altbau des KKG – seit mehr als einem halben Jahr auch: notdürftig mit Spanholzplatten abgedeckte Wanddurchbrüche und eine monströse Feuerschutztreppe an der Seite; alles aus Brandschutzgründen.
Brandschutz am Käthe, das bedeutet: eingehauene Wände, monströse Stahltreppen, Rigipswände in Stockwerksabschnitten. Muss das so sein? Die Redaktion begibt sich auf eine Spurensuche durch Schule und Verwaltungsapparat.
Zu Besuch im Kunstsaal
Herr Kratz, ein Kunstlehrer am KKG ist eigentlich ein in sich ruhender, freundlicher Mensch; wenn man ihn aber darauf anspricht, dass in seinem Kunstsaal ein 2 auf 2 Meter großer Durchbruch notdürftig mit Spanholzplatten klafft, ist er nur noch genervt: Durch seine Fachauswahl, die sich nun mal nur in den im Altbau verorteten Kunstsälen lehren lässt, ist er besonders von den Veränderungen beeinträchtigt; da merkt man schon am Gesichtsausdruck des passionierten Kunstlehrers, dass sein Sinn für Ästhetik durch diese Maßnahmen beleidigt wird.
Klartext: Herr Kratz, als Kunstlehrer durften Sie aufgrund der Lage der Kunstsäle hautnah die Bauarbeiten (Feuerschutztreppe) miterleben. Was halten Sie von den Maßnahmen generell?
Herr Kratz: Eine generelle Maßnahmenbeurteilung ist in diesem Fall sehr schwierig, da man mehrere Gesichtspunkte unter einen Hut bringen muss.Wenn ich aus meinem ganz persönlichen Blickwinkel auf die geleisteten Gewerke schaue, muss ich sagen, dass das Schulgebäude teilweise schon entstellt auf mich wirkt. Angefangen bei den sehr unansehnlichen und im Schulbetrieb auch sehr unpraktischen Türschließern, bis hin zum Verschalen der oberen Galerie vor dem BK2-Raum! Auch die Durchbrüche sind natürlich brutal! Bei den Schließern gilt zudem zu bedenken, dass durch den massiven Druck auf die schweren Türblätter, das Mauerwerk und der Putz um die Zargen herum jetzt schon Risse bekommen. Auf der anderen Seite gibt es natürlich Vorschriften, die für die Betriebssicherheit eines Gebäudes garantieren. Bei deren Umsetzung, denke ich, waren die betreuenden Architekt/innen und Ingenieur/innen sehr bemüht den Charakter des Gebäudes, trotz aller Maßnahmen, zu wahren. Inwiefern die Brandschutzbestimmungen sinnvoll scheinen und wo vielleicht durch Lobbyistentum unnötige Verschärfungen durchgesetzt wurden, mag jeder für sich beurteilen. Manche Maßnahmen mögen vielleicht über das Ziel hinaus schießen. Die Hersteller der entsprechenden Brandschutztüren etc. wird es sicher freuen…….
Klartext: Einerseits wird eine massive Stahltreppe installiert, andererseits leben wir hier mit zum Teil einfachverglasten Fenstern, auch weil der Denkmalschutz Vorgaben macht. Sehen Sie da einen Widerspruch?
Herr Kratz: Die Brandschutztreppe finde ich, auch durch die Halbwendelung, formal ziemlich gelungen und sie passt sich, bis auf den Edelstahlhandlauf, gut dem Gebäude an. Ich bin froh, dass die einfachverglasten Originalfenster und auch die aufgedoppelten Originalfenster im Haus bleiben müssen, da sie einen Großteil des Charmes des Jugendstilgebäudes (Baujahr 1912!) ausmachen! Man muss sich hier auch einer gewissen historischen Verantwortung stellen und jeder sollte einmal die schönen Walzglasscheiben mit ihrem Schimmer genauer beachten. Energieeinsparpotenzial sehe ich in Sachen Lüftungs- und Heizungsdisziplin und dem konsequenten Schließen der Fenster am Ende des Unterrichtes genug, auch ohne ein weiteres Aufrüsten der Fenster. Insofern sehe ich da überhaupt keinen Widerspruch.
Deutsche Regelungswut
Brandschutz auf Stadtebene, das bedeutet vor allem eins: viel Steuergelder, die ausgegeben werden müssen. Inzwischen wehren sich sogar ganze Städte gegen den von oben verordneten Wahnsinn, beispielsweise die Stadt Bitburg, die im Jahr 2016 eine Petition gegen überzogene Brandschutzforderungen verabschiedete und sich möglichst eine Klärung auf Landes- bzw. Bundesebene erhofft. So gingen laut Petition aktuelle Maßnahmen „völlig an der tatsächlichen Gefährdungspotentialen vorbei“ bei keiner Relation „zwischen aufzuwendenden Kosten und dem Ergebnis der Maßnahmen“. Dabei fehle das Geld dann an andererer Stelle, beispielsweise für Baumaßnahmen. Schuld sei der „Lobbyismus in den Vorräumen des Bundestages“.
Was passiert am Käthe?
Aus Schüler- und Lehrersicht zumindest, was die technische Ausstattung anbelangt, einfach zu wenig, weil der Stadt das Geld fehlt. Allerdings nicht, wenn es um den Brandschutz geht, denn hier muss die Stadt dem Gesetz entsprechen.
Laut einer Sprecherin der Stadt Neustadt wurden bei der sogenannten „Gefahrenverhütungsschau“, einer regelmäßigen Begehung von Gebäuden, Mängel in Bezug auf den baulichen Brandschutz festgestellt. Kurzum: Das Gebäude entspricht teilweise nicht den Brandschutzverordnungen.
So seien im Altbau beispielsweise keine abgetrennten Treppenräume vorhanden, es bestehe also ein offener Zugang zu den Fluren. Zweite Rettungswege seien gar nicht vorhanden oder nur durch den offenen Flur erreichbar, was zur Folge habe, dass sich Rauch ungehindert ausbreiten und vom Keller ins Dach ziehen könne.
Für die Beseitigung dieser Mängel werden nun in das KKG 710.000 Euro investiert, das Land hat 265.000 Euro Schulbauförderung bewilligt. Die maximale Förderquote durch das Land beträgt 60%, das wären 426.000 Euro.
Wir treten mit zwei Protagonisten des Geschehens auf der kommunalen Ebene in Kontakt: Mit Mario Di Noi, dem Sachgebietsleiter Feuer- und Zivilschutz, und Nina Heeskens, der stellvertretenden Abteilungsleiterin Gebäudemanagement.
Wir erfahren, dass im Treppenhaus Rauchschutzvorhänge aufgehängt werden sollen, die bei Verrauchung automatisch heruntergefahren werden; außerdem würden neue Rauchschutztüren und Trennwände eingebaut.
Das „Mammutprojekt“, das selbst aus der Ferne zu sehen ist, stellt zweifelsohne die Stahlaußentreppe an der Westfassade des denkmalgeschützten Altbaus dar, die als zweiter Rettungsweg dienen soll. Für sie allein werden rund 280.000 Euro aufgewendet. Damit diese Treppe auch erreichbar ist, falls der Flur verraucht sein sollte, mussten verschiedene Durchbrüche, auch von Klassenraum zu Klassenraum vorgenommen werden.
Zudem wird die alte Brandmeldeanlage auf den aktuellen Stand gebracht, im Falle eines Brandes geht nun die Alarmierung direkt zur Feuerwehr, außerdem erhalten bestehende Türen neue Dichtungen und die Flucht- und Rettungswegekennzeichnungen werden überarbeitet und ergänzt.
Der Feuer- und Zivilschutzexperte Di Noi betont, der Brandschutz drehe sich nicht um den Schutz des Gebäudes, sondern um Personenschutz. Der Fokus dabei liege außerdem vor allem darin, dem Rauch Herr zu werden.
Die notwendigen Maßnahmen ergäben sich v.a. aus der Landesbauordnung und der Schulbaurichtlinie, allerdings sage natürlich auch der klare Menschenverstand, dass sie nötig seien.
Die Brandschutzmaßnahmen, also die 710.000€ in Relation zur teilweise nicht aktuellen technischen Ausstattung des Gebäudes zu stellen, hält Di Noi für unangebracht: Sie ständen nicht nur im Wettbewerb untereinander, sondern auch mit anderen, lebensrettenden Maßnahmen, bspw. dem Gesundheitswesen, der Verkehrssicherheit oder dem Katastrophenschutz.
Es sei durchaus sinnvoll, bei Altbauten Umbaumaßnahmen zu tätigen wie die Stahlaußentreppe, denn: Um eine Person mit der Drehleiter zu retten, brauche man etwa drei Minuten, Treppen hätten dagegen natürlich eine wesentlich höhere Kapazität.
Brandschutzbestimmungen – die Wirtschaft schreibt mit?
Brandschutz in Deutschland, das bedeutet: 16 Bundesländer mit eigenen Brandschutzverordnungen und unzählige Brandschutzbeauftragte, die die Erfüllung der Normen gewährleisten sollen.
Brandschutzverordnungen basieren in erster Linie auf DIN-Normen, die in DIN-Ausschüssen festgelegt werden. Laut eines Berichtes des Bayerischen Rundfunks
bestehen diese aus Fachleuten; allerdings unterstellen manche, ein großer Teil dieser Fachleute kämen aus der Wirtschaft und würden dementsprechend zum Vorteil ihrer Arbeitgeber Empfehlungen abgeben.
Selbst ein Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, Sebastian Balzter, machte sich an das Thema und erklärt in seinem Artikel das „Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen“, soll heißen: Die Zahl der Brandopfer stagniert seit Jahren bei zirka 340 Personen, aber in den letzten 5 Jahren sind die Ausgaben in Sachen Brandschutz um eine Milliarde € gestiegen.
Was bleibt von unserer Recherche? Einerseits ist es wichtig, dass Brandschutz nicht auf die leichte Schulter genommen wird. Aber was bringen teure Brandschutzsanierungen, wenn dann kein Geld mehr für „eigentliche“ Sanierungen, die präventiv wirken könnten (Elektrik, Fenster, Mobiliar) zur Verfügung steht? Und so wird hier, aber auch in der restlichen Bundesrepublik, fleißig weitergewerkelt werden, denn wir können uns sicher sein: Die nächste Brandschutzverordnung kommt bestimmt. Unser Vorschlag: Wie wäre es denn mit einer „Modernisierungsverordnung“ für Schulen?
Links zum Thema:
1. F.A.Z.-Artikel „Brandschutzverordungen werden immer teurer
Tilmann Koch (Jgs. 10)
Karikatur: Marion Prskalo (Jgs. 13)