Am vergangenen Freitag, dem 27. September 2024, besuchte der Diplomat und Personalreferent des Auswärtigen Amts, Mirko Kruppa, im Rahmen einer Townhall-Veranstaltung der Volkshochschule (VHS) das Käthe. Klartext hatte die Gelegenheit, ein aufschlussreiches Interview mit ihm zu führen.
Nachdem sich eine stattliche Anzahl an Interessierten in unserer alten Turnhalle zusammengefunden hatte, hatte Mirko Kruppa, welcher seit über 20 Jahren im Auswärtigen Amt als Diplomat und zuletzt als Personalreferent tätig ist, das Wort. Nach einer kurzen Vorstellung ging es auch gleich um das Thema des Abends: Außenpolitik. Da die Veranstaltung auf Basis des Frage-Antwort-Konzepts gehalten wurde, haben wir einige Fragen des Publikums sowie die Antworten von Herrn Kruppa herausgesucht:
Ein Teilnehmer erkundigte sich zum Beispiel, wie Deutschland reagieren würde, falls China Taiwan angreifen sollte. Laut Kruppa wäre die Situation anders als bei der Invasion der Ukraine. Aufgrund der starken wirtschaftlichen Abhängigkeit von China wären die Folgen für Deutschland gravierender. Sanktionen gegen China wären seiner Meinung nach kaum sinnvoll, da diese nicht nur dem Zielland, sondern vor allem Deutschland selbst schaden würde. Auch militärisch habe Deutschland keine ausreichenden Kapazitäten, um in einem solchen Konflikt eine Rolle zu spielen. Das primäre Ziel sei in diesem Fall die Wahrung des Status quo.
Ein weiterer Teilnehmer fragte, wie Deutschland auf einen möglichen Wahlsieg von Donald Trump bei den anstehenden US-Präsidentschaftswahlen reagieren würde. Hier betonte Kruppa die Bedeutung präventiven Handelns. Trumps Einfluss, beispielsweise bei der Unterstützung der Ukraine, könne durch bestehende NATO-Strukturen begrenzt werden, da etwa Hilfsgüter und Waffenlieferungen über die NATO koordiniert würden. Die Bundesregierung würde versuchen, den Handlungsspielraum von Trump zu beschränken, um impulsive Entscheidungen zu verhindern.
Generell wurde die Frage nach Deutschlands Einfluss in der Außenpolitik thematisiert. Hier stellte Kruppa klar, dass es auf die Perspektive ankomme. Bei internationalen Angelegenheiten habe Deutschland durchaus Gewicht, immerhin sei es die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Allerdings befinde sich Deutschland in einer „Sandwichposition“: Es sei zu klein, um allein entscheidend zu sein, aber zu groß, um einfach wegzuschauen. Im militärischen Bereich habe Deutschland derzeit noch wenig Einfluss, sei jedoch dabei, seine Kapazitäten auszubauen.
Auf die Frage, ob Deutschland im Umgang mit Russland versagt habe, antwortet Kruppa, dass man im Rückblick von einem Versagen sprechen könne, wenn es zu einem Krieg kommt. Deutschland sei davon ausgegangen, dass der Konflikt mit Russland eingefroren werden könnte, ähnlich wie in Transnistrien. Dies sei auch das Ziel des sogenannten Normandie-Formats gewesen. Diese Einschätzung habe sich jedoch als Fehlkalkulation erwiesen. Der Westen habe lange Zeit weggeschaut, beginnend mit dem Tschetschenienkrieg 2001, stattdessen im gleichen Jahr Putin mit offenen Armen empfangen. Eine großangelegte Invasion habe man nicht erwartet.
Zur aktuellen Situation in Israel äußerte sich Herr Kruppa dahingehend, dass das Ziel der deutschen Außenpolitik schon immer eine Zwei-Staaten-Lösung gewesen sei. Aufgrund der historischen Verantwortung gegenüber Israel habe sich Deutschland jedoch selbst Beschränkungen auferlegt. Auch wenn an einer Lösung gearbeitet werde, sei ein Ende der aktuellen Eskalation momentan nicht absehbar.
Nach der Veranstaltung hatten wir die Gelegenheit, ein exklusives Interview mit Mirko Kruppa zu führen, in dem er interessante Einblicke in seine Arbeit und seine Sicht auf die deutsche Außenpolitik gab:
Kurz und knapp: Was macht das Auswärtige Amt?
Das Auswärtige Amt pflegt die Beziehungen zwischen Staaten und vertritt die Interessen Deutschlands im Ausland. Gleichzeitig vermittelt es der Bundesregierung und Deutschland, was in anderen Ländern geschieht, und prüft, ob es Möglichkeiten zur Kooperation gibt, von denen wir profitieren könnten.
Was hat Außenpolitik mit dem einzelnen Bürger oder Schüler zu tun? Viele verbinden mit Politik zuerst Innenpolitik, manche fühlen sich von der Außenpolitik nicht ganz vertreten. Wie hängt Außenpolitik mit dem Einzelnen zusammen?
Außenpolitik hat den Auftrag, dafür zu sorgen, dass die Menschen ruhig schlafen können.
Eine erfolgreiche Außen- und Sicherheitspolitik zeigt sich darin, dass man sie gar nicht bemerkt, weil sie funktioniert. Sie schafft den Raum, damit die Menschen in Deutschland das tun können, was sie möchten, ohne sich Sorgen zu machen, dass äußere Einflüsse stören. Wenn Außenpolitik gut ist, unterstützt sie außerdem Bereiche wie die Förderung der deutschen Sprache im Ausland, damit Talente Deutsch lernen und möglicherweise bei uns studieren, eine Wissenschaftskarriere starten und mit uns kooperieren. Außenpolitik kann auch deutschen Unternehmen im Ausland helfen. Ein regionales Beispiel wäre zum Beispiel die in Neustadt gegründete Firma Hornbach, die in ganz Europa und darüber hinaus tätig ist. So wird in Deutschland weiterhin der Wohlstand gesichert.
Würden Sie der Jugend raten, sich politisch oder diplomatisch zu engagieren, besonders in der aktuellen Situation mit den vielen Konflikten und Kriegen?
Ja, ich würde sagen, wenn nicht jetzt, wann dann? Wir leben in sehr politischen Zeiten, sowohl in Bezug auf die innenpolitische Entwicklung – wie Deutschland sich selbst definiert – als auch im außenpolitischen Kontext, der uns fordert. Deutschland ist das größte Land in Europa, und es gibt Erwartungen an uns, denen wir uns stellen müssen. Das verlangt Mitmachen, Diskurs und den Beitrag junger Menschen, denn es ist ihre Zukunft, die entschieden wird. Außenpolitische Entscheidungen sind häufig Richtungsentscheidungen, mit weitreichenden Konsequenzen. Deshalb: Jetzt ist die Zeit.
Viele Jugendliche befassen sich kaum bis gar nicht mit deutscher Außenpolitik. Warum sollten sich Jugendliche mehr für Außenpolitik interessieren?
Außenpolitik ermöglicht den Vogelblick, durch den man Innenpolitik besser einordnen und Prioritäten setzen kann.
Man kann von den Erfahrungen anderer Länder lernen, zum Beispiel wie Nachbarländer ihren Krankenversicherungsschutz besser organisieren als Deutschland, wo es bei uns immer noch viele Menschen ohne Versicherung gibt – obwohl dies sogar Pflicht bei uns ist. Oder wie Bildungssysteme organisiert werden, etwa wie in Ostasien, oder die Wohnungspolitik in Singapur, die vorbildlich ist. Außenpolitik hilft, sich selbst besser zu verstehen, sich vergleichen zu können aber auch um Perspektiven zu entwickeln und sich inspirieren zu lassen.
Was haben Sie studiert, um Diplomat zu werden?
Ich bin Volkswirt, weil mich gesellschaftliche Zusammenhänge interessieren, insbesondere die ökonomischen, welche für mich ganz zentral sind. Für eine Karriere im Auswärtigen Amt ist es wichtig, das zu studieren, was einen persönlich begeistert und wo man gut ist. Im Auswärtigen Amt gibt es den Anspruch, verschiedene Disziplinen zu vereinen, da Außenpolitik ein breites Feld ist. Nicht selten braucht man mal Nischenthemen oder sogenannte Orchideenthemen, da Diplomatie ansich sehr weit verästelt ist.
Gibt es spezielle Studiengänge des Auswärtigen Amts?
Man bewirbt sich für den höheren Dienst mit einem abgeschlossenen Studium, durchläuft ein Auswahlverfahren mit schriftlichen und mündlichen Prüfungen, und wenn man ausgewählt wird, bekommt man eine einjährige Ausbildung. Diese Ausbildung ist für alle gleich, unabhängig vom Studienhintergrund. Mit bestandenem Abitur kann man sich außerdem für den gehobenen Dienst bewerben. Man absolviert dann ein dreijähriges duales Bachelorstudium und wird auf ganz unterschiedliche Tätigkeiten im Auswärtigen Amt vorbereitet. Übrigens mit Bezahlung und Übernahmegarantie bei erfolgreichem Studienabschluss.
Was sind Ihre Aufgaben als Referatsleiter im Auswärtigen Amt?
Ich bin Referatsleiter für Inlandskommunikation und Bürgerdialoge. Meine Aufgabe ist es, zu erklären, wie Außenpolitik funktioniert und welche Alltagsbezüge sie hat. Dabei geht es auch darum, die Vielfalt von Perspektiven wahrzunehmen und nicht in Schwarz-Weiß-Muster zu verfallen. Wir versuchen, die breite Öffentlichkeit über verschiedene Kanäle zu erreichen, sei es durch Veranstaltungen wie heute über sogenannte Townhall-Gespräche oder auch mal auf Gaming-Events, wie dem Civ-Gipfel der Rocket Beans.
Eine Frage zu Ihrer persönlichen Meinung: Im Außenministerium wurden kürzlich Bismarck-Bilder entfernt. Was halten Sie davon?
Bismarck steht für eine Außenpolitik von „Blut und Eisen“. Er führte Kriege, um die Einheit Deutschlands zu schaffen und Deutschland als Macht zu etablieren. Ich finde, das ist kein Vorbild für die heutige Außenpolitik. Deshalb war es überfällig, ihn symbolisch abzuhängen. Der Raum, der früher Bismarck gewidmet war, heißt jetzt „Saal der Deutschen Einheit“, was viel besser passt, da die deutsche Einheit auch die europäische Einheit symbolisiert. Das sollte eher unsere Inspiration sein, und nicht nur die Eisenpolitik eines Bismarcks.
Zum Abschluss: Sie haben eine 20-jährige Karriere hinter sich. Was war das spannendste oder ungewöhnlichste Erlebnis im Ausland?
Ein prägendes Erlebnis war die Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika, als Deutschland 4:0 gegen Argentinien gewann. Ich betreute das Protokoll als Protokollreferent und war im Stadion, als die Bundeskanzlerin allein mit südafrikanischen und argentinischen Ehrengästen das Spiel verfolgte. Sie war die Einzige auf der Bühne, umgeben von Leuten, die natürlich alle für die argentinische Nationalmannschaft waren, die jubelte. Sowas bleibt im Gedächtnis (schmunzelt).
Eine weiteres interessantes, aber auch bizarres Erlebnis habe ich in China erlebt. Damals öffnete sich das Land gerade für den internationalen Austausch. Viele ältere Chinesen hatten noch die Erinnerung, dass bis 1985 Gespräche mit Ausländern als Straftat galten. Dieses Denken war tief verwurzelt, und man merkte oft, dass bei offiziellen Terminen eine Barriere zwischen mir und den älteren Gesprächspartnern bestand. Als relativ junger Ausländer ohne graue Haare wurde ich oft skeptisch betrachtet – man fragte sich, was dieser „Jungspund“ hier wollte.
Viele dieser älteren Menschen hatten früher in der Sowjetunion studiert und sprachen Russisch. In solchen Momenten stellte ich fest, dass es manchmal effektiver war, Russisch zu sprechen, statt zu versuchen, Chinesisch zu verwenden, da viele davon ausgingen, dass man ein Spion sei. Doch das Teilen einer gemeinsamen Basis durch die russische Sprache öffnete viele Türen.
Diese Erfahrungen haben mir gezeigt, wie wichtig Empathie ist: Man muss bereit sein, in die verschiedenen kulturellen Kontexte einzutauchen und zu verstehen, wo Berührungspunkte liegen. Daraus ergeben sich oft neue Möglichkeiten für Zusammenarbeit.
Wir bedanken uns bei Mirko Kruppa, sowie bei der VHS für die Möglichkeit dieses Interview zu führen!
Ruben Wagner (Chefredakteur) und Leni Kaub (12. Jgs.)