Wie ist man ein guter Mensch? Diese Frage stellen sich wohl viele, sowie auch der deutsche Autor Thomas von Steinaecker, der sich mit dem Thema „Menschlichkeit“ vor drei bis vier Jahren befasste. Heraus kam 2016 der Science-Fiction Roman „Die Verteidigung des Paradieses“, in dem der 15-jährige Heinz in vier Heften sein Leben und die Flucht durch ein zerstörtes und verseuchtes Deutschland der Nachwelt festhält.
Wenn man das Buch liest, denkt man wirklich, man würde im Tagebuch eines etwas kindlich gebliebenen Jugendlichen herumschnüffeln. Manche Sätze und Seiten sind unvollständig, zum Ende hin gibt es welche, auf denen scheinbar wahllos Buchstaben verteilt wurden. Als wären diese „Hefte“ schon viele Jahre alt. Wobei dieser Stil sehr verwirrend ist, gerade weil die Geschichte in der Zukunft spielt und man sich als Leser noch viele Jahre weiter in die Zukunft denken müsste… Was Heinz angeht, so ist er doch etwas seltsam. Wüsste ich sein Alter nicht, hätte ich ihn auf zehn Jahre geschätzt; er weiß viele Dinge nicht, die ein 15-jähriger wissen sollte oder ekelt sich davor. Anscheinend ist Heinz auch sehr gläubig, er spricht dauernd zum „Lord“, nennt besondere Dinge „deluxe“ und sammelt Altwörter, also Begriffe, die zu seiner Zeit nicht mehr in der Alltagssprache verwendet werden, wie z.B. „Brutto-Netto Differenz“ und „Prosecco“. Außerdem ordnet er seine Gefühlslagen Prozentwerten, auch über 100%, zu. Welcher Jugendliche würde das heutzutage machen?
Und wird die Technik 2040 schon so weit fortgeschritten sein, dass Städte und ganze Regionen von Schutzschilden umgeben sind? Die Schilde wären nicht mal nötig, da die Temperaturen in weniger als 30 Jahren keine unerträglichen Ausmaße annehmen.
Die Handlung erinnert an die aktuelle Flüchtlingskrise, wobei Steinaecker den Roman schon vor drei oder vier Jahren verfasst hat. Jedoch meinte er, „dass es ihm heute angesichts der Fernsehbilder aus den Flüchtlingscamps, gar nicht mehr möglich wäre, so etwas aufzuschreiben – anmaßend würde er sich dabei vorkommen, wenn nicht sogar obszön“ (Quelle: www.raa5.com). Kein Wunder, wenn er Horror-Szenarien wie Schauhinrichtungen und das Verzehren des Körpers eines Kameraden aus größter Not detailliert beschreibt. Kinder sollten dieses Buch auf keinen Fall in die Hände bekommen, trotz der kindlichen Schreibweise. Empfehlenswert wäre dieses Buch ab einem Alter von 16 Jahren.
Verglichen mit anderen Science-Fiction Romanen ist dieser einer der realistischsten, wenn die Geschichte noch mal 50 Jahre oder mehr später spielen würde. Und trotz der verwirrenden Erzählform wurde das Buch von Literaturkritikern in die Longlist des Deutschen Buchpreises 2016 gewählt. Warum? Weil sie nun wissen, wie ein guter Mensch ist? Ich weiß es nicht, auch nach dem Lesen des Romans. Die Frage wird weiterhin ungeklärt bleiben. Es kommt nicht nur auf das Handeln, sondern auch auf Entscheidungen in schwierigen Situationen an, wie „gut“ ein Mensch ist oder was „menschliche Würde“ ausmacht. Das habe ich mitgenommen. Sonst nichts.
Isabell Weber