Schule kann heutzutage ganz schön stressig sein. Aber wie sah das Schulleben eigentlich früher aus? War früher alles besser? Oder vielleicht sogar schlimmer? Sophie Warnat interviewte ihre Großmutter, die in den 1960ern das Käthe besuchte.
Meine Oma wurde ca. 1956 in Eußerthal in der Pfalz eingeschult. Die Grundschule, die sie besuchte, war ein sehr kleines Häuschen, in dem alle vier Grundschulklassen in einem Raum unterrichtet wurden. Die Grundschule hatte nur eine Lehrerin, die alle vier Klassen unterrichtete. Im oberen Geschoss dieser Schule war eine kleine Wohnung, in der die Lehrerin wohnte. Der Unterricht fand von ca. 8-12 Uhr statt und die Lehrerin nahm sich immer eine halbe Stunde für jede Klasse Zeit. Wenn die Lehrerin zu einer anderen Klasse gegangen war, gab sie der Klasse, die sie davor hatte, einen Arbeitsauftrag, den diese dann zu bearbeiten hatte. Der Vorteil an dem gemeinsamen Unterricht in einem Raum war, dass sehr begabte Schüler dann auch bei den höheren Klassen mitarbeiten konnten und dadurch gefördert wurden.
Etw 1960 wechselte meine Oma auf das Käthe-Kollwitz-Gymnasium, das damals noch eine Mädchenschule war. Da meine Oma zu dieser Zeit in Diedesfeld wohnte, musste sie jeden Morgen mit dem Bus 20 Minuten zum Neustadter Hauptbahnhof fahren und von dort aus nochmal zirka 10 Minuten zum Käthe laufen. Der Unterricht am Käthe ging genauso lange wie bei uns heute, also von 8-13 Uhr. In den höheren Klassen kam dann noch der Nachmittagsunterricht hinzu.
Nach sechs Jahren am Käthe wechselte meine Oma für die Oberstufe und das Abitur nach Landau an die Maria-Ward-Schule, die damals noch von englischen Schwestern geführt wurde und ebenfalls eine reine Mädchenschule war. Noch als sie auf dieser Schule war, kamen aber immer mehr internationale und weltliche Lehrerinnen und Lehrer dazu. Die Klassen hatten eine Größe von zirka 30 Schülerinnen und die Unterrichtsfächer waren fast die selben wie heute. Zum Beispiel hatte meine Oma auch Mathe, Deutsch, Englisch und Französisch, sie hatte aber auch Fächer, die wir heute nicht mehr haben, wie z. B. Handarbeit oder in der Maria-Ward-Schule auch Kochen oder Möbel polieren.
Die Strafen, die man bei schlechtem Verhalten gegebenenfalls bekommen hatte, waren eigentlich die gleichen, die es heute auch noch gibt: Klassenbucheinträge, Verweise und wenn es ganz schlimm war, ein Vermerk im Zeugnis. Am Käthe wurde in der Pause unter der Haupttreppe ein Tisch aufgebaut, auf dem der Hausmeister Brezeln, süße Teilchen oder Kakao verkaufte. Als sonstiges Essen hatte jedes Mädchen ein Pausenbrot und vielleicht etwas zu Trinken dabei. In den Pausen standen die Schülerinnen wie heute auch in Grüppchen zusammen, redeten und aßen ihr Pausenbrot. Meine Oma hatte auf dem Käthe zwei große Pausen wie wir heute auch, die etwa 20 Minuten dauerten. Im Winter war es in den Pausen natürlich sehr kalt. Da die Schule aber schon eine Heizung hatte, war der Unterricht in den Räumen relativ angenehm. Von den Materialien her gab es die gleichen Sachen wie heute, zum Beispiel DIN-A4 Hefte, Füller, Malkasten für Kunst etc.
Meine Oma gehörte damals zu den Schülerinnen, die gerne Streiche spielten – dafür waren die Mädchen vom Käthe bekannt. Ein Beispiel für einen Streich ist die Geschichte mit dem Singen: Im Musikunterricht mussten die Schülerinnen vorsingen und wurden dann darauf benotet. Meine Oma hatte zwei Freundinnen; die eine, Angelika, konnte nicht gut singen und die andere, Traudel, hingegen sehr gut. Angelika hatte natürlich große Panik vor dem Vorsingen, da sie ja nicht singen konnte. Da beschlossen die drei, dass sich Traudel in die Reihe hinter Angelika setzen und sich ganz klein machen sollte, wenn Angelika mit Vorsingen dran war. Als Angelika an der Reihe war, sang nicht Angelika, sondern Traudel hinter ihr und Angelika bewegte vor ihr nur die Lippen. Die Drei wurden nicht erwischt und Angelika bekam sogar eine gute Note.
Die Lehrer damals waren alle streng. Sie sind also nicht auf die Schülerinnen zugegangen, sondern es gab eher einen Graben zwischen Lehrern und Schülerinnen. Wenn es zum Unterricht klingelte, kam der Lehrer hinein und behielt seinen Platz am Pult. Wenn es wieder klingelte, ging er wieder hinaus. Das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern war kalt und unpersönlich, Lob bekam man fast nie. Hin und wieder gab es auch mal ganz nette Lehrer wie Omas Englischlehrer, der ab und zu mal einen Witz machte, was überhaupt nicht normal war. Es gab auch eine Lehrerin, die meine Oma in der 10. Klasse in Handarbeit hatte und die den Mädchen auch mal erklärte, wie sie mit Jungs umgehen sollten. So etwas hatte sonst auch niemand gemacht.
Da das Käthe zu dieser Zeit noch eine Mädchenschule war, war das Verhältnis unter den Schülerinnen relativ gut, manchmal waren sie aber auch etwas zickig zu einander. Die guten Erinnerungen meiner Oma sind auf jeden Fall die Streiche, die sie gespielt hatte. Als schlechte Erinnerungen zählen für sie immer noch das klamme Gefühl, wenn sie eine Klassenarbeit zurück bekommen hatte oder der Gedanke an ein Fach, das ihr keinen Spaß machte oder einfach nur unnötig war. Interessant fand ich, dass nicht nur die Lehrer mit dem Nachnamen angesprochen wurden, sondern die Schülerinnen ebenso.
Meine Oma studierte nach dem Abitur in Landau Lehramt und wurde Grundschullehrerin. Am Ende unseres Gespräches meinte meine Oma zu mir: „Ich mit meinen 76 Jahren würde heute gerne nochmal in die Schule gehen, da die Stimmung heute einfach schöner ist.“
Sophia Warnat (7. Klasse)