Schulleben

Nach dem Amokalarm – wie geht es weiter? Ein Interview mit Herrn Whittaker

Wie der ein oder andere der Rheinpfalz entnehmen konnte, ist unser Amokalarmsystem inzwischen einsatzbereit. Doch was ist seit dem Vorfall noch geschehen? Wie geht es fortan weiter? Am 7. März 2012 befragten wir Herrn Whittaker zu den Vorfällen am 16.02.2012, dem Tag des Amokalarms an unserer Schule. Wir wollten Näheres zu dem Ablauf, der Organisation und der Drohung gegen die Schule wissen.

Redaktion: Herr Whittaker, wie würden Sie den Vorfall am Donnerstag, den 16.2.12, in wenigen Sätzen beschreiben?

Herr Whittaker: In der Nacht zum 16.2.12 hat ein ehemaliger Schüler unserer Schule, der jetzt auf der Realschule-Plus ist, im Facebook-Chat mit einem anderen Schüler eine Amok-Drohung gepostet. Daraufhin ist die Polizei zu seinem Haus gefahren, hat es durchsucht und ihn dazu befragt. Dabei wurden aber keinerlei Waffen oder Dinge gefunden, die auf eine Gewalttat hindeuteten; die Polizei hat ihn dennpch sicherheitshalber mitgenommen und die Nacht bei sich behalten. Am nächsten Morgen wurde Frau Nickol benachrichtigt, aber es wurde auch gleich mitgeteilt, dass keine Gefahr bestehe und die Schule ganz normal geöffnet werden solle.

Redaktion: Erzählen Sie uns bitte etwas über den zeitlichen Ablauf der Ereignisse.

Herr Whittaker: Die Drohung wurde gegen Mitternacht online gestellt. Da der Vorfall mithilfe eines Screenshots sofort gemeldet wurde, konnte die Polizei auch sehr schnell vor Ort sein. Innerhalb einer Stunde konnte die Polizei dann feststellen, dass der Schüler die Drohung nicht wirklich ernst gemeint hat und diese nur aus Ärger verfasst worden war.

Redaktion: Wann haben Sie persönlich davon erfahren und wie haben sie reagiert?

Herr Whittaker: Ich war morgens unter der Dusche, als das Telefon geklingelt hat; dann habe ich sofort mit einem Polizeibeamten gesprochen, der mir erklärt hat, was vogefallen ist, und  sagte, dass keine Gefahr mehr bestehe. Einerseits war ich schon aufgeregt, aber andererseits auch beruhigt, da die Polizei die Sache unter Kontrolle hatte. Dann bin ich gleich nach Neustadt gefahren.

Redaktion: Wie ist dann aus Ihrer Sicht der darauffolgende Tag verlaufen? Viele dachten ja, der Amoklauf stehe kurz bevor…

Herr Whittaker: Das Problem war, dass jeder irgendwas wusste und manche eben Sachen gehört haben, die gar nicht stimmten und sich dann über eine Gefahr aufgeregt haben, die es überhaupt nicht gab. Am Anfang waren die meisten Schüler  ratlos, weil viele nicht genau wussten, was sie machen sollten, da sie viele unterschiedliche Dinge gehört hatten. Einige standen vor der Schule und wollten nicht hineingehen, andere hingegen sind erst gar nicht zur Schule gekommen.

Redaktion: Wie stehen Sie zu den Reaktionen der Schüler? Können Sie diese verstehen?

Herr Whittaker: Ja, ich kann sie verstehen. Wenn man das Wort „Amoklauf“ hört, denkt man natürlich sofort an die schlimmen Amokläufe aus den Nachrichten. Das ist  so ziemlich das Schlimmste, was man sich vorstellen kann, wenn man eigentlich in eine friedliche Schule geht. Dass dieser Film sich dann im Kopf abspielt, ist verständlich und kann einen ganz schön beängstigen, daher verstehe ich auch, dass Schüler, die nicht informiert waren, so viel Angst hatten.

Redaktion: War es schlau, so viele Leute ins Gebäude zu lassen? Das Chaos schien sich durch Eltern z.T. zu verschlimmern.

Herr Whittaker: Mein Eindruck war, dass viele Leute gar nicht erst ins Gebäude gekommen sind.  Manche Mütter haben noch mit ihren Kindern in der Lobby gestanden, aber ich denke nicht, dass viele Fremde im Gebäude gewesen sind.

Redaktion: Wieso gab es keine offizielle Telefonkette?

Herr Whittaker: Die Leute haben hier angerufen und sind nicht durchgekommen, und eine dieser Personen, die nicht durchgekommen sind, war ich. Daraus haben wir gelernt, dass wir natürlich nicht 800 Leute auf einmal telefonisch informieren können. Frau Nösel hat das ganz toll gemacht, aber sie  hat auch den ganzen Tag geredet. In Zukunft machen wir das so, dass es gleich auf die Website kommt, so dass man direkt nachsehen  kann und die Sondermeldung und die Anweisung an die Schüler sieht, z.B. dass sie zu Hause bleiben müssen. So stellen wir sicher, dass alle gleich gut und zeitnah informiert werden.

Redaktion: Viele Lehrer wussten selbst nichts von dem Vorfall und haben es auf dem Lehrerparkplatz erst erfahren. Zum Teil waren sie ratlos, wie es weitergehen soll. Wie stehen Sie zu den unterschiedlichen Aussagen der Lehrer über den weiteren Unterrichtsverlauf?

Herr Whittaker: Hierbei muss man sich die Situation einfach vorstellen: Wir reden ja über 7:30 Uhr am Morgen. Da sind manche Lehrer noch unter der Dusche gewesen, haben gefrühstückt, manche waren noch mit dem Hund draußen, andere saßen im Auto auf dem Weg zur Schule. Woher sollten die es wissen?! Sie haben es in dem Moment gewusst, als sie im Lehrerzimmer waren, als ich dort eine Ansprache gehalten und alle genauer informiert habe.

Redaktion: Welche Maßnahmen wurden von Polizei und Schule eingeleitet? War das nicht vielleicht ein bisschen übertrieben, da ja angeblich keine Gefahr bestand?

Herr Whittaker: Die Polizei hat uns von Anfang an vorbildlich informiert. Viele Polizisten auflaufen zu lassen, dagegen haben wir uns entschieden, weil wir dachten, das sei übertrieben. Allerdings waren zur Unterstützung drei Polizisten zur Stelle. Insofern war nichts übertrieben.

Redaktion: Was würden Sie nächstes Mal bei einer solchen Situation anders machen? Denken Sie, unsere Schule ist vorbereitet?

Herr Whittaker: Das Erste, was ich anders machen würde, habe ich schon gesagt: Künftig wird über die Internetseite informiert werden;  das war technisch noch nicht so weit, dass wir das machen konnten. Darüber hinaus ist unser Amok-System gerade im Aufbau. Eigentlich hätte das Ganze erst zwei Wochen später ablaufen sollen, dann wäre es uns viel besser gegangen, aber man kann sich den Zeitpunkt eines solchen Vorfalls natürlich nicht aussuchen. Zukünftig wird das System einsatzbereit sein. Alle Einzelheiten, was wir machen, kann ich euch nicht sagen. Wir haben ja auch eine Probe gemacht, wo ihr diese Sirene gehört habt und gesagt bekommen habt, was ihr tun sollt und wie dann wieder die Entwarnung kommt. Wir stehen des Weiteren immer in Kontakt zu den entsprechenden Stellen.

Redaktion: Wie stellen Sie sich die Benutzung der neuen Amokknöpfe vor? Sie sind ja auf den Gängen installiert..

Herr Whittaker: Das, was man sich überlegt, um gegen Amoklauf gewappnet zu sein, ist nicht in allen Situationen gleichermaßen nützlich. Man kann zum Beispiel nicht grundsätzlich die Empfehlung geben, bei Amokläufen von den Fenstern fernzubleiben. Befindet man sich zum Beispiel in den oberen Etagen, macht es durchaus Sinn, sich zum Schutz unter die Fenster zu kauern, da von außerhalb in dieser Höhe keine Bedrohung ausgeht. Hält man sich dagegen zum Zeitpunkt eines Amoklaufes im Erdgeschoss auf, bleibt man den Fenstern besser fern. So muss man auch die Amokknöpfe sehen: Sie sind lediglich ein Teil des Amok-Abwehr-Mechanismus´. Wird zum Beispiel im Erdgeschoss geschossen, ist es dort nicht zu empfehlen, den Amokknopf benutzen zu wollen, wohl aber im oberen Stockwerk. Dies ist ja nur eine Möglichkeit, Alarm auszulösen. Man kann Sie nutzen, wenn es gerade Sinn macht, ansonsten haben wir ja noch andere Möglichkeiten geschaffen.

Redaktion: Glauben Sie, dass die amoksicheren Türen wirklich sicher sind?

Herr Whittaker: Wie auch schon bei der Beantwortung der letzten Frage muss ich auch hier zu bedenken geben, dass es keine 100 %-ige Sicherheit gibt. Zudem ist die Möglichkeit eines Amoklaufes ja Gott sei Dank sehr gering. Es ist weitaus gefährlich die Villenstraße überqueren zu wollen. Es macht einem aber große Angst, dass so etwas an einem Ort geschehen könnte, an dem man sich meist sicherfühlt. Macht man sich da zu viele Gedanken, hält es einem gefangen, wie in einem Alptraum. Daher ist es wichtig, dass wir uns im Vorfeld mit Verhaltensregeln im Ernstfall beschäftigen, um somit unser Sicherheitsgefühl wieder zu stärken.

Redaktion: Herr Whittaker, am Ende unserer Interviews würde uns noch interessieren, was an den Gerüchten dran ist, das von uns Schüler beteiligt gewesen wären: Was stimmt und was ist nur dummes Gerede?

Herr Whittaker:
Nun muss ich wie ein Politiker antworten, denn Genaues kann ich noch nicht sagen, denn man ist noch am Ermitteln. Tatsache ist, dass der Schüler, der die Amokdrohung gepostet hat, sich sehr frustriert und verletzt gefühlt hat. Er stand auch in verschiedenen Gesprächen. Näheres ist aber noch nicht bekannt. Wenn wir mehr herausfinden, werden wir auch darauf reagieren. Für uns alle müsste nach diesem Vorfall jedoch klar sein, dass Mobbing und Amoklauf oft in direkter Verbindung stehen. Wenn jemand so weit getrieben wird, dass er gar nicht anders kann, dann könnte es sein, dass er Dinge sagt, die er gar nicht so meint und es später bereut. So wie auch in unserem Fall. Dieser Zusammenhang zwischen Mobbing und Amokdrohung ist eine interessante Angelegenheit und wenn so etwas stattfindet, finde ich das schlimm. Denn man könnte ja auch entgegenwirken, wenn man merkt, dass jemand sich so angegriffen fühlt und versuchen Druck abzubauen.

Redaktion: Herr Whittaker, vielen Dank für das Gespräch.

 

Wir, die Redaktion, denken, dass wir alle dazu aufgefordert sind, Amokläufen entegegenzuwirken. Wir sitzen alle in einem Boot und es wäre schön, wenn wir als Gemeinschaft merken würden, dass eine Person sich so unter Druck gesetzt fühlt. Es liegt an uns allen, verständnisvoll mit jedem Mitmenschen umzugehen -sei es ein Freund, Bekannter oder Nachbar – oder Mobber auf ihr Fehlverhalten hinzuweisen. Manchmal macht sich der eine oder andere einen Spaß daraus, einen „Anderen“ zu ärgern oder gar zu schikanieren. Aber jeder sollte sich darüber im Klaren sein, dass aus diesem Spaß mitunter ganz schnell blutiger Ernst werden kann. Also achtet aufeinander und achtet einander. Das ist die beste Vorsorge!

Kristin E., Julia L., Sarah P., Jonas-Luca K.

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