Unsere zukünftige Gesellschaft wird maßgeblich von denjenigen gestaltet werden, die heute noch als Jugendliche gelten. Doch inmitten globaler Herausforderungen wie dem Klimawandel, der sozialen Ungerechtigkeit und politischer Verunsicherung scheint das soziale Engagement unserer Generation subjektiv betrachtet „ausbaufähig“ zu sein. Dabei wird der Ruf nach einem verstärkten Engagement regelmäßig in der Politik beschworen. Wir gehen auf Spurensuche, ob soziales Engagement in unserer Gen Z vorhanden ist und in welchen Bereichen es liegt.
Auf dem Weg zur Gedenkfeier zum Jahrestag der Deportation der pfälzischen Juden
Auf unserer Recherche treffen wir auf Georg Degen, einen Schüler der MSS 11 an unserer Schule, welcher am 22. Oktober letzten Jahres sich bei der Gedenkfeier zum Jahrestag der Deportation der pfälzischen Juden engagiert hat.
Der 22. Oktober 1940 markierte einen düsteren Tag in der Geschichte der Pfalz, als mehr als 6500 Menschen aus der Pfalz, der Saarpfalz und Baden ihrer Heimat entrissen und in die Tiefen des Leids geschickt wurden.
An diesem Tag liest Georg Degen mit Sophie König, einer ehemaligen Schülerin aus Landau, im Casimirianum vor rund 70 Menschen die bewegenden Geschichten von sechs betroffenen pfälzischen Familien vor. Mit ihm führen wir im Anschluss ein Interview, aus welchem sich herauskristallisiert, wie wichtig er das Engagement von Jugendlichen sieht. Er betont im Gespräch mit uns, dass es nicht nur darum gehe, sich für soziale Projekte zu engagieren, sondern auch darum, immer wieder eine Verbindung zur Geschichte herzustellen und sich für eine gerechtere Zukunft einzusetzen:
„Jeder muss seinen Beitrag zum Frieden leisten können. Dafür muss es Gedenkveranstaltungen zum Holocaust geben. Wenn man nicht gedenkt, was die Fehler waren, werden sie nochmal gemacht. Das ist überall so. Man sollte aus Fehlern lernen.“
Auf die Frage, wie er überhaupt zu der Gedenkfeier gekommen ist, antwortet er getrost in Pfälzer Mundart: „Das war ganz einfach: Unsere Religionslehrerin hat gefragt, wer daran teilnehmen könnte, und ich habe mich dazu entschieden, da ich es wichtig finde, eine solche Gedenkveranstaltung zu unterstützen.“ Doch ist eine solche Haltung zum gesellschaftlichen Engagement die Regel?
Umfrage zum Thema in der 11. Jahrgangsstufe
Aber wie sieht eigentlich jugendliches Engagement in Zahlen aus? Nutzen Käthes Schülerinnen und Schüler ihre Freizeit, um sich für eine bessere Gesellschaft einzusetzen oder geht’s mehr um TikTok und Prokrastination? Wir versuchen, näheres zu erfahren und befragen stichprobenartig rund ein Drittel der 11. Jahrgangsstufe. Wenn man sich engagiert oder engagieren würde, dann liegt das Thema Umweltschutz vor allen anderen.
Doch schon die nächste Frage fällt etwas ernüchternd aus: Knapp die Hälfte aller Befragten beteiligt sich nicht an Projekten, welche darauf abzielen, die Gesellschaft zu verbessern; 15% geben an, dass sie gar keine Gelegenheit dazu hätten, sich zu engagieren. Grunde dafür seien Zeitmangel, aber auch mangelndes Interesse!
Viele Schüler äußern im freien Antwortteil der Umfrage ihre Sorge, dass ihre Teilnahme an solchen Projekten entweder unnütz sei oder sowieso nichts dazu beitragen könne. Zudem scheint bei Manchen auch Angst vor noch mehr Druck neben dem Schulischen zu bestehen.
Interessant wird es vor allem, wenn man sich das Engagement anhand des Geschlechtes anschaut. Gerade mal ein männlicher Befragter beteiligt sich an Projekten. Woran das liegt? Ist die individuelle Motivation der befragten Schüler einfach nur schwach, oder gibt es strukturelle Hürden, die eine geschlechtsspezifische Beteiligung beeinflussen könnten? Könnten geschlechterspezifische Rollenbilder oder bestehende Erwartungshaltungen eine Barriere für Jungen darstellen, sich in sozialen Projekten zu engagieren?
Am Ende der Kurzumfrage wollten wir wissen: „Inwiefern denkst du, dass jugendliches Engagement einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft haben kann?“
Ein Teilnehmer merkte an, dass Einzelinitiativen wenig bewirken, jedoch die kollektive Anstrengung der Jugend bedeutende Veränderungen herbeiführen könne. Die Umfrage verdeutlichte auch die Überzeugung, dass Jugendliche durch Engagement nicht nur ihre eigenen Perspektiven erweitern, sondern auch neue Ideen und Gedanken in gesellschaftliche Diskussionen einbringen können. Einige betonten die Motivation Jugendlicher, die als treibende Kraft fungieren könne. Ein Befragter übte sogar unterschwellig Kritik: „[Um] Probleme zu lösen und Reformen durchzusetzen, um z. B. das Schulsystem zu reparieren“.
Kann man vielleicht hier die Ursache für das magere Engagement der Jugend identifizieren? Vielleicht fehlen einfach Informationen über bestehende Möglichkeiten? Wir suchen Antworten und haken bei der Schulleitung nach.
Ein Interview mit Schulleiter Stefan Vogt
„Die Schule ist eigentlich die ,Einstiegsdroge‘ für soziales Engagement.“
Schule, so unser Schulleiter Stefan Vogt, sei eben nicht nur ein Ort des Wissenserwerbs ist, sondern auch ein kraftvolles Sprungbrett, das Schüler dazu befähigen soll, sich aktiv in ihrer Gemeinschaft engagieren zu wollen.:
„Ich glaube, den Stellenwert von Schule für dieses Thema kann man gar nicht hoch genug bemessen: Die Schule ist eigentlich die ,Einstiegsdroge‘ für soziales Engagement, würde ich plakativ formulieren. Es beginnt mit der Grundschule, in der die Kinder gerade so alt sind, dass sie sich selbst zurechtfinden, in der Klasse ihren Platz sowie Freundschaften knüpfen können und dann auch erste Verantwortung in der Gruppe übernehmen. Mit dem Übergang auf eine weiterführende Schule kommen mit Klassensprecherwahlen, der Arbeit in der SV und der Möglichkeit, diverse AGs zu besuchen, weitere Berührungspunkte hinzu, die das soziale Miteinander fördern. Natürlich gehört es auch dazu, Konflikte zu lösen; hier kommen also ebenfalls die Kompetenzen zum Tragen, die man für das weitere Leben benötigt. Es geht hier ganz viel um soziale Kompetenzen wie etwa Empathie, aber auch um Sekundärtugenden, die quasi im Beifang zum Unterricht und zu allen schulischen Aktivitäten entstehen sollen. Und das gelingt uns hier am Käthe im Alltag meines Erachtens sehr, sehr gut“, betont Vogt.
Hinzu gebe es die nicht nur auf die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer beschränkte Aufgabe, demokratische Gepflogenheiten zu vermitteln, was nicht nur in Hinblick auf die Demokratietage und diverse Exkursionen, sondern auch in AGs und im regulären Unterricht immer wieder eingeübt und vermittelt werde, etwa „über Klassenrat, den wir in den unteren Klassen etablieren und hochwachsen lassen. Über die Arbeit der SV, über die Beteiligungsstrukturen der Schulgemeinschaft, der Klassensprecherversammlung. Und da sind ja Partizipationsrechte da, die am Käthe auch noch durchaus stärker von der Schülerschaft in Anspruch genommen werden könnten.“
Doch wenn die Schule soziales Engagement befördert, warum kommen wir dann zum Teilergebnis, dass sich gerade „Mann“ schwer zu tun scheint, sich sozial zu engagieren? „In puncto Rollenklischees wurde in den letzten Jahren vieles aufgebrochen und ich erlebe das auch in den Familien, die wir hier in der Schule haben. Aber man spürt an manchen Stellen, dass die Zuschreibungen trotzdem noch präsent sind.“ Das zeige sich etwa auch bei der unterschiedlichen Geschlechterverteilung in bestimmten Fächern, wie Informatik und dritten Fremdsprachen. So sei zu verzeichnen, dass mehr männliche Schüler Informatik als ihr freiwilliges Fach wählten als weibliche; bei der dritten Fremdsprache sei es genau umgekehrt. Die Geschlechterfrage sei somit zu einer zusätzlichen Herausforderung, die es zu überwinden gelte.
„Wenn ich es könnte, würde ich Engagement verordnen!“
Vogt ist sich ziemlich sicher, dass sich Jugendliche in erster Linie in Sportvereinen oder Religionsgemeinschaften sozial wie kulturell engagierten. Und er fügt hinzu: „Wenn ich es könnte, würde ich Engagement verordnen! Ich würde am liebsten allen Mittelstufenschülern verordnen, dass sie sich in einem Verein, in einer Religionsgemeinschaft oder musikalisch irgendwo engagieren, weil ich glaube, das dies eine ideale Ergänzung zum Schulalltag ist.“ Herr Vogt erkennt in dieser vermeintlichen „Verordnung“ eine strategische Maßnahme, um nicht nur die individuelle Entwicklung der Schülerinnen und Schüler zu fördern, sondern auch einen nachhaltigen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt zu leisten. Dazu gehörten selbstverständlich auch die Arbeitsgemeinschaften in der Schule, die Kooperation mit außerschulischen Partnern wie im Falle des Schulsanitätsdienstes oder Projektwochen: „Insofern wäre es wünschenswert, wenn wir noch mehr Projektwochen organisieren könnten und noch mehr diese klassische horizontale Schulstruktur aufbrechen könnten, also ab und zu mehr Durchlässigkeit schaffen könnten, damit Ältere mit Jüngern mehr zusammenarbeiten können.“ Auch der „soziale Tag“ werde beworben; ein Tag, an dem Schülerinnen und Schüler ein Unternehmen gehen, dort arbeiten und dann der theoretische Arbeitslohn an soziale Organisation gespendet werde.
Ausblick: Darf man hoffen?
Zusammenfassend kann man sagen, dass soziales Engagement mit Blick auf Krisen und die aktuelle politische Lage sowie aufgrund der Überalterung der Bevölkerung wichtiger ist denn je. Jedoch scheinen gerade in dieser Zeit das Interesse und die Kapazitäten der Gen Z nicht mehr für viel mehr als Schule, Studium oder Beruf zu reichen. Verstärkt durch die Corona Pandemie merkt man die Auswirkungen hiervon immer mehr. Doch trotzdem gibt es engagierte Jugendliche, die sich für ihre Interessen und für die Gesellschaft einsetzen. Ziel der nächsten Jahre wird es sein, dieses Engagement wieder an den größeren Teil der jungen Gereration heranzutragen. Dabei ist die Schule ein wichtiger Impulsgeber, welcher auch noch ausgebaut werden könnte, wie uns Herr Vogt erläuterte. Mit Blick auf Pisa sei gesagt: Die Gesellschaft braucht nicht allein leistungsfähige Angestellte und schlaue Köpfe. Die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler müssen immer über Schule und Beruf hinaus betrachtet und gefördert werden, sonst gibt es irgendwann kein Miteinander mehr und jeder lebt in der eigenen erfolgreichen One-man-show. Darum lautet auch der Appell an uns alle: Versuchen wir, uns nicht im Leistungsdrang zu verlieren, wir haben als Menschen in einer Gemeinschaft auch für andere Verantwortung. Wem die momentane Lage nicht egal ist, der sollte darüber nachdenken was er/sie im Kleinen dafür tun kann. Und wem die momentane Lage egal ist, der sollte nochmal nachdenken.
Schulleiter Vogt formuliert, dass es durchaus einen Unterschied mache, ob man sich als Jugendlicher irgendwo einbringe oder dann mit größerer Schlagkraft vielleicht erst als junger Erwachsener. Allerdings habe unsere Generation auch das Problem, dass die gesellschaftliche Alterspyramide stark verschoben sei und der prozentuale Anteil der Jungen, die sich Gehör verschaffen könnten, auch politisch zurückgehe. Aber er formuliert eine klare Botschaft: „Ich glaube, dass wir im Moment an einem ganz kritischen Punkt angekommen sind, was das ehrenamtliche und gesellschaftliche Engagement betrifft; weil ich merke, dass sich ganz viele Lasten auf wenigen Schultern verteilen, die das Ehrenamt noch hochhalten. Hier muss eine Kehrtwende einsetzen! Wenn wir weiter so eine Vielfalt an Vereinen, an Strukturen, an Angeboten in unserer Gesellschaft haben wollen, dann muss hierfür die nächsten Jahre auf gesellschaftlicher Ebene auch wieder mehr passieren und es müssen mehr Leute bereit sein, sich einzubringen. Und ich glaube, da kann ich trotz mancher ernüchternder Umfragen auf Eure Generation und die nachfolgenden Schülergenerationen eigentlich große Hoffnungen setzen.“
Und wenn man sich nicht traut? Nur Mut, meint Georg. Seinen Aussagen zu Folge sei der Aufwand überschaubar gewesen. Und weiter: „Jeder muss seinen Beitrag für eine bessere Gesellschaft leisten können.“
Ruben Wagner (11. Jgs.) und Josepha Westwood (12. Jgs.)