Nicht nur Erwachsene, sondern auch viele Schülerinnen und Schüler verfolgten gespannt die politischen Ereignisse der letzten Wochen. Und viele fragen sich: Wie wird es nun weitergehen und was bedeutet der Bruch der Ampel für Deutschland? Wie die Landespolitiker auf den Vorgang blicken, das wollten wir herausfinden. Haben sie das Scheitern kommen sehen? Wem geben sie dafür die Schuld? Wie stehen sie zum Termin der Vertrauensfrage? Und vor allem: Wird der Bruch der Ampel Auswirkungen auf die rheinland-pfälzische Politik haben? GRÜNE, SPD, CDU, AFD und FDP antworteten auf unsere Anfrage (Die hier gewählte Reihenfolge entspricht den Posteingängen bei der Redaktion und stellt keine politische Präferenz dar.).
„In Rheinland-Pfalz zeigen wir Tag für Tag: Auch Dreierbündnisse können gute Kompromisse erzielen, die das Land voranbringen. Unsere Koalition wird deshalb auch weiterhin gut und vertrauensvoll zusammenarbeiten. In Berlin haben die GRÜNEN und allen voran Robert Habeck ebenfalls tragfähige Vorschläge unterbreitet. Der Bundesfinanzminister und FDP-Vorsitzende hat diese Vorschläge ignoriert und den Weg raus aus der Bundesregierung gesucht. Die Bundes-FDP hat damit Egoismus und Inszenierung über politische Verantwortung gestellt. Selbstverständlich haben bundespolitische Weichenstellungen auch Auswirkungen auf unser Land, etwa wenn es um die Frage von Finanzierungen geht. Der zeitnahe Wahltermin ist deshalb gut für das Land. Eine neue Bundesregierung muss so schnell wie möglich für Planungssicherheit und für wichtige Weichenstellungen für die wirtschaftliche Entwicklung in Kombination mit Klimaschutz sorgen können.
Wir appellieren gleichzeitig an die demokratischen Fraktionen im Bundestag, dringende Entscheidungen schon jetzt zu treffen und den Alltag der Menschen nicht zum Gegenstand parteipolitischer Taktiererei zu machen. Das betrifft beispielsweise das Deutschland-Ticket oder die Krankenhausreform.
Die Welt erfährt aktuell tiefgreifende Veränderungen, und die kommende Bundesregierung wird die zentrale Aufgabe haben, Deutschland auf die neuen globalen Machtverhältnisse und die sich verschärfende Klimakrise einzustellen. Dafür sind umfangreiche Investitionen in unsere Zukunft notwendig. Wenn wir uns von den Fesseln der Schuldenbremse befreien, hat Deutschland die Kraft, nicht nur die Krisen von heute zu bewältigen, sondern die Welt von morgen aktiv mitzugestalten. Wir GRÜNEN sehen deshalb der anstehenden Wahl voller Tatendrang und Zuversicht entgegen.“
(Pia Schellhammer, Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN Landtagsfraktion Rheinland-Pfalz)
„Der Bundeskanzler Olaf Scholz hat Anfang November entschieden, den Bundesfinanzminister Christian Linder zu entlassen. Das war eine mutige Entscheidung, die Respekt verdient. Bei der Bundesregierung in Berlin hat am Ende nicht mehr geklappt, was gute Politik ausmacht. Nämlich mit anderen um die beste Lösung zu ringen und sich dann auf gute Kompromisse zu einigen. So funktioniert unsere Demokratie und nur so können wir das Beste für die Bürgerinnen und Bürger erreichen. Wie stabiles und erfolgreiches Regieren geht, zeigen wir mit unserer Ampel-Regierung in Rheinland-Pfalz seit vielen Jahren. Das werden wir auch weiterhin tun. Der Bundeskanzler hat in einer sehr schwierigen Situation entschieden, die Vertrauensfrage zu stellen und somit den Weg frei für Neuwahlen zu machen. Das ist die Möglichkeit für einen Neuanfang ohne Streit und einen kraftvollen Aufbruch in die Zukunft. Natürlich geht es jetzt darum, schnell eine neue Bundesregierung zu wählen. Trotzdem muss für eine geordnete und saubere Organisation dieser Wahl ausreichend Zeit sein. Mit dem aktuellen Zeitplan und dem festgelegten Termin für die Bundestagswahl gelingt beides. Die Bundestagswahl im kommenden Februar ist vor allem für junge Menschen in diesem Land eine gute Chance, dem Land eine neue, sozial gerechte und moderne Richtung zu geben. Ich bin sicher, dass besonders die jungen Menschen wissen, wer für sie Politik macht und wer sie am besten vertritt. Trotz aufregender Zeiten blicke ich deswegen zuversichtlich und positiv in die Zukunft.“
(Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Fraktionsvorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Rheinland-Pfalz)
Haben Sie das Scheitern kommen sehen?
Die Ampel war von Beginn an eine Koalition dreier inhaltlich sehr unterschiedlicher Parteien – ein Bündnis, das auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner gearbeitet hat. Es hat sich sehr früh gezeigt, dass das nicht reibungslos funktioniert. Immer wieder wurde gegeneinander gestichelt und sich gegenseitig Steine in den Weg gelegt. So geht man nicht miteinander um – das ist nicht die Koalition, die Deutschland braucht. Spätestens mit den Haushaltsverhandlungen hat man dann gesehen, dass man dort auf gar keinen gemeinsamen Nenner mehr kommt. Mit den Forderungspapieren von Lindner und Habeck wurde nochmal deutlich, wie unterschiedlich die Parteien sind. Wann genau die Koalition dann zerbricht, wussten wohl nur der Kanzler und dessen Berater, aber dass es im Zuge dieser Verhandlungen sein wird, war absehbar. Dafür waren und sind die Unterschiede einfach zu groß.
Beim wem sehen Sie die Schuld?
Man kann in diesem Chaos nicht einen alleinig Schuldigen ausmachen. Natürlich war es rein formal der Kanzler, der um Entlassung von Bundesminister Lindner gebeten hat, aber auch die anderen Akteure tragen ihren Teil hierzu bei. Der gegenseitige Umgang in der Ampel miteinander war von Anfang an wenig kollegial, und erst recht nicht konstruktiv. Fehlende Kompromissbereitschaft auf allen Seiten und zutiefst unterschiedliche Vorstellungen in elementaren Fragen waren dann am Ende der Auslöser für das Scheitern der Ampel-Regierung.
Wie stehen Sie zum anberaumten Termin der Vertrauensfrage?
Ich bin froh, dass Friedrich Merz mit seinem Fraktionsvorsitzenden-Kollegen der SPD zu einem gemeinsamen Termin gekommen ist und begrüße es sehr, dass dieser sehr zeitnah unter Einhaltung der nötigen Fristen erfolgen kann.
Der ursprüngliche Zeitplan des Bundeskanzlers war aus meiner Sicht keine Option, sondern ein reines taktisches Zeitspiel. Ohne Mehrheit noch Monate im Amt bleiben zu wollen, ist den Wählerinnen und Wählern gegenüber nicht zu rechtfertigen. Dass Olaf Scholz dann die Terminsuche auf die Fraktionsvorsitzenden abgewälzt hat, zeigt noch einmal mehr seine Führungsschwäche. Das Grundgesetz hat dem Bundeskanzler allein das Recht zugesprochen, die Vertrauensfrage zu stellen und dass Olaf Scholz die Verantwortung der Terminsuche delegiert, verdeutlicht, dass er der Tragweite dieses Amtes nicht gewachsen ist.
Was wünschen Sie sich für die kommenden Wochen, z.B. vom Bundeskanzler und den anderen Bundestagsparteien?
Ich wünsche mir einen fairen Wahlkampf unter den demokratischen Parteien. Als CDU werben wir um die besten Ideen für das Land. Ich bin überzeugt, dass Friedrich Merz der bessere Bundeskanzler wäre und davon möchte ich auch die Wählerinnen und Wähler überzeugen. Gerade in Zeiten, in denen politische Ränder immer stärker werden, brauchen wir aus meiner Sicht einen themenfokussierten Wahlkampf, denn Themen und Inhalte haben die Ränder nicht, die haben nur viel Klicks mit plumpen Parolen. Vom Bundeskanzler erwarte ich bis zur Neuwahl, dass er seine Arbeit macht, aber das auch mit dem Maß an Demut, das ein Bundeskanzler ohne Mehrheit haben sollte. Das heißt, dass er Gesetze mit seinem Kabinett natürlich noch in den Bundestag einbringen kann, aber in Absprache mit der Union als größter Oppositionsfraktion. Wir können es uns aus meiner Sicht nicht leisten, dass unabgesprochen Vorhaben eingebracht werden und dann aus Versehen mit wechselnden Mehrheiten Dinge mit Stimmen der Radikalen links und rechts beschlossen werden. Das wäre völlig unverantwortlich. Bis zur Wahl braucht es eine enge Zusammenarbeit der Minderheitsregierung von Olaf Scholz mit der Union, was Fragen der Tagesordnung und einzelner Gesetze angeht, die unserem Land helfen. Das Gesetz zur Stärkung des Schutzes des Bundesverfassungsgerichtes zum Beispiel. Hier kann man auf uns als rechtsstaatliche Partei zählen.
Wird der Bruch der Ampel Auswirkungen auf die rheinland-pfälzische Politik haben?
Spurlos wird der Bruch nicht an der rheinland-pfälzischen Ampel vorrübergehen. Die Ampel in Rheinland-Pfalz und deren Minister und der Ministerpräsident waren immer großer Unterstützer der Bundes-Ampel. Wenn man diese dauerhaft lobt, muss man sich die Frage gefallen lassen, wieso sie denn nun zerbrochen ist. Auch war der ehemaligen FDP-Politiker Dr. Wissing, der nach dem Bruch im Kabinett blieb und lieber aus der FDP ausgetreten ist, der Chef der FDP in Rheinland-Pfalz. Die Ampel bleibt in RLP bestehen. Wir erleben einen bisher nicht gekannten Stillstand in fast allen politischen Bereichen. Die Kraft fehlt also auch hier bei uns ganz offensichtlich, die notwendigen und dringenden Dinge anzugehen, um RLP in eine stabile und gute politische Zukunft zu führen.
Sehen Sie optimistisch oder pessimistisch in die Zukunft?
Optimistisch. Unser Land hat so viel Potential, das wir ausschöpfen können, dass es keinen Grund für Pessimismus gibt. Wir dürfen Probleme und Herausforderungen nicht kleinreden, davon gibt es einige, aber es gibt auch Lösungen dafür. Konkrete Vorschläge hat die Union die letzten drei Jahre immer gemacht, die Ampel hat diese leider nur oft ignoriert. Sofern wir einen Regierungsauftrag bekommen, können wir uns dann ranmachen, diese Lösungsvorschläge auch in die Tat umzusetzen. Wir werden die wichtigsten Dinge sofort angehen und keine Zeit verstreichen lassen, zum Beispiel beim Bürgergeld.
(Gordon Schnieder, Fraktionsvorsitzender der CDU-Landtagsfraktion Rheinland-Pfalz)
„‚Wär’s abgetan, wie’s getan, wär’s gut, man tät es eilig‘, sagt Shakespeare in Macbeth. Das sollte die Leitschnur für die Abwicklung der Ampel sein.
Es ist gut, dass der Wahltermin möglichst früh angesetzt wurde. Jeder Tag ohne Ampel ist ein guter Tag für Deutschland. Diese schlechteste Bundesregierung aller Zeiten hat noch nicht mal genügend Papier vorrätig, um eine Wahl durchzuführen. Nicht ersichtlich ist, warum Herr Scholz die Vertrauensfrage jetzt noch verzögert.
Dabei war der Ampel-Bruch vorprogrammiert: SPD, Grüne und FDP passen inhaltlich kaum zusammen, wenn sie sich nicht verleugnen. Die SPD verteilt Geld, die Grünen wollen einen teuren Klimastaat, und die FDP sollte eigentlich auf Haushalt und Wirtschaft achten. SPD und Grüne teilen eine Ideologie der grenzenlosen Umverteilung und unkontrollierten Migration, was zu massiven Belastungen und Ungerechtigkeiten führt. Christian Lindners geleaktes Papier zeigte schließlich die Zerrissenheit der Ampel und war eher Anlass als Grund für deren Auseinanderbrechen.
In diesem Chaos könnte auch eine Chance liegen: Der Bundestag könnte sich wieder auf echte inhaltliche Debatten konzentrieren. Leider blockieren die Altparteien jede Initiative, selbst wenn sie vernünftig wäre, aus Prinzip gegen die AfD. Dabei geht es nicht um Parteipolitik, sondern darum, die besten Lösungen für die Bürger zu finden.
Auf Landesebene ist die Ampel geräuschlos, weil sich die FDP vergrünt und damit selbst marginalisiert hat. Deshalb hat sie zu Recht kaum noch Rückhalt in der Bevölkerung.
Die Mehrheit der Bürger wünscht sich eine verantwortliche Politik für die eigenen Bürger, die abseits von moralisierender Gesinnungspolitik und undemokratischen Brandmauern endlich die drängenden Probleme anpackt. Doch diese Wahrheit wird von den etablierten Parteien ignoriert. Mit dieser Vogelstrauß-Politik wird es keine nachhaltigen Lösungen geben. Wir erhoffen deshalb von der kommenden Bundestagswahl eine tektonische Verschiebung in der Parteienlandschaft und eine Stärkung der patriotischen Kräfte.“
(Dr. Jan Bollinger, Fraktionsvorsitzender der AFD-Landtagsfraktion Rheinland-Pfalz)
Haben Sie das Scheitern kommen sehen?
Dass die Ampelkoalition in Berlin scheitern könnte, stand seit einiger Zeit als Möglichkeit im Raum. Ich hätte mir gewünscht, dass die Koalition einen Konsens findet, um die dringenden Fragen der Zeit politisch zu beantworten. Das ist ihr nicht gelungen. Deshalb ist es folgerichtig, die Zusammenarbeit nicht fortzusetzen.
Beim wem sehen Sie die Schuld?
Wenn drei Parteien sich einen Vertrag zur Zusammenarbeit geben und dann nicht mehr die Kraft haben, gemeinsam weiterzuarbeiten, tragen dafür natürlich alle drei Verantwortung.
Wie stehen Sie zum anberaumten Termin der Vertrauensfrage?
Ob und wann ein Kanzler die Vertrauensfrage stellt, liegt allein in seiner Hand. Es ist gut, dass sich die Vorsitzenden der größten Bundestagsfraktionen auf ein Datum für eine Neuwahl geeinigt haben, an dem sich Olaf Scholz orientieren wird. Damit herrscht Klarheit und alle relevanten Akteurinnen und Akteure können sich auf diese Situation einstellen.
Was wünschen Sie sich für die kommenden Wochen, z.B. vom Bundeskanzler und den anderen Bundestagsparteien?
Ich erwarte mir, dass alle Fraktionen und Parteien ihrer staatspolitischen Verantwortung gerecht werden und auch ohne klare Mehrheitsverhältnisse Entscheidungen in der Sache treffen können, die für unsere Bundesrepublik von essenzieller Bedeutung sind.
Wird der Bruch der Ampel Auswirkungen auf die rheinland-pfälzische Politik haben?
Nein.
Sehen Sie optimistisch oder pessimistisch in die Zukunft?
Optimismus gehört zu meinem Naturell. Ich bin ein Mensch, der in Krisen auch immer eine Chance sieht. Und deshalb blicke ich voller Zuversicht auf die anstehenden Wochen.
(Philipp Fernis, Fraktionsvorsitzender der FDP-Landtagsfraktion Rheinland-Pfalz)
Ruben Wagner (Chefredakteur, 12. Jgs.)