Am 01.07.2015 besuchte uns der Zeitzeuge Dr. Peter Lücker, der mithilfe eines selbtgegrabenen Tunnels, 57 Menschen 1964 aus Ostberlin in die BRD geschleust hat. Der Fluchttunnel führte von der Bernauer Straße in den Westen.
(v.l.n.r. Dr. Peter Lücker, Herr Whittaker, Frau Langenbacher)
Der Tunnel 57 ist das erfolgreichste Unternehmen von ca. 70 Fluchttunnelbauten. Im April 1964 wurde mit dem Bau des 145 Meter langen Tunnels, der sich 12 Meter unter der Erde befindet, begonnen. Der Ausgangspunkt des Tunnels befand sich in einer leerstehenden Bäckerei in der Bernauer Straße 97 in West-Berlin. Um verdächtige Aktionen der DDR-Grenzwachen rechtzeitig feststellen zu können, beobachtete ein Fluchthelfer ständig die gegenüberliegende Straßenseite vom Dach aus. Dies verdeutlicht auch, wie gefährlich dieser Versuch war, Menschen aus der DDR in den Westen zu schleusen. Herr Dr. Lücker berichtete, dass die Tunnelgräber mehrere Tage in dem Gebäude, in dem der Tunnel gegraben wurde, verbrachten, um kein Aufsehen zu erregen. Sie wechselten die Kleidung und behielten die Stasi im Auge, um aufgrund ihres Unternehmens nicht verhaftet zu werden. Was sie bewegte, den Tunnel trotz dieser enormen Anstrengung und Gefahr zu graben, formuliert Herr Dr. Lücker wie folgt: ,,Unser Tun war gegen das Unrecht gerichtet, gegen den Unrechtsstaat.“ Hierzu nannte er Peter Fechter als Beispiel, der beim Versuch aus der DDR über die Mauer zu fliehen, angeschossen wurde und verblutete, da ihm trotz Augenzeugen keine Hilfe geleistet wurde. Besonders geschockt habe ihn die Reaktion der US-amerikanischen Militärpolizei, die gesagt haben soll: ,, It’s not our problem/business.“ (Das ist nicht unsere Angelegenheit.)So wuchs der Plan heran, mehr als 120 DDR-Bürgern die Flucht nach Westberlin durch einen Tunnel zu ermöglichen. Ziel des Tunnels war ein Keller im Haus Strelitzer Straße 55 in Ost-Berlin, aufgrund eines Berechnungsfehlers kamen die Tunnelbauer jedoch ein paar Meter daneben an. Am 2.Oktober, mehr als 6 Monate nach Beginn des Unternehmens, war der Durchbruch geschafft und erste Fluchtwillige wurden informiert, die dann einen Tag später durch den Tunnel nach Westberlin geschleust wurden. Auch in der 2. Nacht sei zunächst alles glatt gelaufen, jedoch habe sich auf der Liste der Fluchtwilligen auch ein Stasi-Spitzel befunden, der das Unternehmen schließlich verriet. Der Tunnel wurde von den Grenztruppen der DDR gestürmt, wobei Grenzpolizist Egon Schultz versehentlich von den eigenen Soldaten erschossen wurde, die Jagd auf die Fluchthelfer machten. Dies wurde von der DDR gezielt propagandistisch genutzt, um den Unfall als Mord durch die Flüchtigen darzustellen. Der Tunnel, der 57 Menschen ein Leben in der BRD ermöglicht hat, wurde schließlich durch die Stasi zugeschüttet. Heute ist der Bereich, wo der Tunnel damals in den Westen verlaufen ist, mit einer Gedenktafel versehen und ein paar Meter weit für Besucher zu besichtigen.
Wir danken den Verantwortlichen, die den 5. und 6. Klassen diese einmalige Gelegenheit ermöglicht haben, mit einem Zeitzeugen zu sprechen, der ein Stück Geschichte miterlebt hat. Die Schüler/Innen zeigten ihr Interesse durch viele Fragen, die sie während der anschließenden Fragerunde nach dem Vortrag stellten. Herr Dr. Lücker beantwortete diese Fragen sehr offen und gab den Schüler/Innen die Möglichkeit, ein Bild von der damaligen Situation zur Zeit des Ost-West-Konflikts zu schaffen.
S.Pallocks, M.Neß (12)