
Am 30. Januar 2025 besuchten wir im Rahmen des Sozialkundeunterrichts das Amtsgericht Neustadt an der Weinstraße, um Gerichtsprozesse aus nächster Nähe mitzuerleben.
Wir trafen uns zur regulären Schulzeit und machten uns gemeinsam auf den Weg. Am Eingang des Gerichts wurden wir von den Sicherheitskräften kontrolliert. Uns kam das sehr bekannt vor – es erinnerte uns an eine Flughafenkontrolle. Danach warteten wir noch kurz, bis wir den Sitzungssaal betreten und uns hinsetzen durften.
Zwei spannende Fälle
Der erste Fall drehte sich um einen Mann, der bereits 25 Jahre im Gefängnis verbracht hatte. Dieser hatte sich bei den Stadtwerken Neustadt mit einer Angestellten unterhalten, weil er eine Rückzahlung nicht sofort erhalten hatte. Lautstark hatte er gedroht, dem Behördenleiter etwas anzutun, da er auch kein Problem damit hätte, erneut ins Gefängnis zu gehen, da er mit der Welt nicht klarkomme. Die Zeugin, eine Angestellte, gab an, dass sie sich mit dem Angeklagten eigentlich gut verstanden habe. Das fanden wir besonders spannend, da er eine so große Drohung ausgesprochen hatte. Sie sagte auch, dass sie sich in dem Moment nicht verängstigt fühlte und vor dem Vorfall eigentlich gut mit ihm klargekommen sei. Dies lag vermutlich daran, dass er laut ihrer Aussage gesagt habe, er würde Frauen nichts antun. Dennoch habe sie aus Pflichtbewusstsein die Polizei gerufen. Es kam uns so vor, als hätte sie ihn im Gerichtssaal verteidigt, was den Fall für ihn positiv beeinflusste. Auffällig war auch, dass der Angeklagte sich nicht wirklich bei der Angestellten entschuldigen konnte. Er schaute sie nicht einmal an und sprach keine Entschuldigung aus. Der Angeklagte erhielt eine Geldstrafe und musste Sozialstunden ableisten.
Der zweite Fall behandelte eine Auseinandersetzung innerhalb einer Familie. Der Angeklagte, ein Mann, wurde beschuldigt, seine ehemalige Partnerin, mit der er wegen ihres gemeinsamen Kindes weiterhin zusammenlebte, verletzt zu haben. Sie gab an, dass er sie stark am Arm gepackt und gewürgt habe. Der Mann bestritt jedoch die Vorwürfe. Es kam heraus, dass auch die Frau ihren ehemaligen Partner verletzt hatte, was die Situation weiter verkomplizierte. Die Zeugenaussage der Ex-Partnerin war sehr widersprüchlich und teilweise unklar. Zum einen beschrieb sie den Vorfall als sehr gewalttätig, zum anderen gab sie an, dass sie selbst auch Teil der Eskalation gewesen sei. Wir fanden es verwirrend, dass sie sich selbst nicht klar zu ihrer eigenen Rolle äußern konnte. Zudem wurde bekannt, dass der Angeklagte die Frau per E-Mail beleidigt hatte. Ein weiterer Zeuge, mit dem sie während ihrer Beziehung ihren Partner betrogen hatte, war inzwischen mit ihr zusammen. Er sagte jedoch nur wenig aus und trug damit wenig zur Klärung des Vorfalls bei. Letztlich wurde der Angeklagte nur für die Beleidigung verurteilt und musste eine Geldstrafe zahlen.
Nach den Prozessen hatten wir die Gelegenheit, dem Richter Fragen zu stellen. Er berichtete uns aus seiner eigenen Erfahrung, was besonders spannend und lehrreich war. Wir erfuhren mehr über den Ablauf eines Gerichtsverfahrens und die Entscheidungsfindung eines Richters. Eine Frage, die wir persönlich sehr interessant fanden, war, ob er irgendeinen Fall bereut. Er meinte daraufhin, dass dem nicht so sei. In diesem Zusammenhang erklärte er, dass man lieber einen Freispruch ersteilt als jemanden falsch zu verurteilen.
Insgesamt war unser Besuch im Amtsgericht eine sehr interessante Erfahrung, was die Klasse auch bestätigte. Besonders beeindruckend war, wie unterschiedlich die Zeugen in den Fällen aussagten und wie genau das Gericht versuchte, die Wahrheit zu ermitteln. Der Tag hat uns viele Einblicke in die Arbeit der Justiz gegeben und gezeigt, wie wichtig es ist, bei einem Prozess alle Seiten zu betrachten.
Von Anouk B.und Emily C.