Debatte

Der Sturz Assads in Syrien: Ist der Krieg nun endlich vorbei? Eine umfassende Analyse

Anhänger der syrischen Opposition feiern den Fall von Damaskus in London am 8. Dezember 2024. (Bild: Steve Eason / Flickr)

Nach fast 14 Jahren Bürgerkrieg ist in Syrien ein Ereignis eingetreten, auf das viele gehofft haben: Der Diktator Baschar al-Assad wurde am 8. Dezember 2024 von Rebellengruppen gestürzt. Doch bedeutet dies, dass der lang anhaltende Bürgerkrieg auf syrischem Boden nun ein Ende findet? Wird Syrien nun endlich ein freies Land?

Vorgeschichte: Baschar al-Assads Aufstieg zur Macht

Nach dem Tod von Hafiz al-Assad im Jahr 2000 trat sein Sohn Baschar al-Assad die Nachfolge an. Baschar, der eine Ausbildung als Augenarzt am renommierten Western Eye Hospital in England absolviert hatte, wurde von vielen Syrern als Hoffnungsträger gesehen. Nach der autoritären Herrschaft seines Vaters, der systematisch die Opposition unterdrückte und Aufstände gewaltsam niederschlug, erhoffte man sich einen gerechteren, reformorientierten Präsidenten. Diese Hoffnungen, bekannt als Damaszener Frühling, waren jedoch nur von kurzer Dauer. Bereits im Herbst 2001 begann Baschar al-Assad, Verfechter liberaler Reformen inhaftieren zu lassen, und schloss die Tür für öffentliche Debatten über Syriens Zukunft. Seine Angst vor Machtverlust überwog.

Die wirtschaftlichen Reformen, die Assad in den folgenden Jahren einleitete, begünstigten vor allem die Eliten des Landes. Die soziale Ungleichheit wuchs, und jede Form der Opposition wurde durch die Geheimdienste unterdrückt. Das Leben der Syrer hatte sich kaum verbessert und blieb unterdrückend wie zu Zeiten von Hafiz al-Assad.

Der Beginn des Bürgerkriegs

Im Zuge des „Arabischen Frühlings“ 2011 gingen viele Syrer in Dar’a und anderen Städten auf die Straße, um für Menschenrechte, politische und wirtschaftliche Reformen sowie gegen Korruption zu protestieren. Assad reagierte wie sein Vater: Die Proteste wurden blutig niedergeschlagen, Demonstranten wurden erschossen, und viele starben. Diese Gewalt eskalierte schnell, die Opposition bewaffnete sich, und der Bürgerkrieg brach aus.

Syrien im Chaos

In den folgenden Jahren versank Syrien im Chaos. Die Kurden, die unter der Herrschaft der Assad-Familie massiv unterdrückt und diskriminiert wurden, griffen ebenfalls zu den Waffen. Ziel war es, ihre Gebiete in Nordost-Syrien zu kontrollieren. Dadurch konnten sie erstmals ihre Sprache frei sprechen und in Schulen lehren. Später schlossen sich kurdische Kräfte mit anderen arabischen Einheiten zur Syrischen Demokratischen Allianz (SDF) zusammen, um den sogenannten Islamischen Staat (IS) zu bekämpfen. Dieser hatte sich ab 2014 in Syrien ausgebreitet und verübte grausame Massaker an Kurden sowie einen Genozid an den Jesiden im Nordirak und in Syrien.

Nach der weitgehenden Niederlage des IS im Jahr 2018 ordnete der damalige US-Präsident Donald J. Trump den Rückzug der meisten US-Truppen aus Syrien an. Dies ebnete den Weg für Recep Tayyip Erdoğan, um eine „Sicherheitszone“ zu schaffen. Im Frühjahr 2018 eroberten türkische und von der Türkei finanzierte Kräfte die kurdisch-dominierte Stadt Afrin im Rahmen der „Operation Olivenzweig„. Deutschland äußerte Kritik, da mutmaßlich deutsche Leopard-2-Panzer bei dieser Operation eingesetzt wurden. In den ersten Wochen flüchteten mindestens 150.000 Menschen aus Afrin.

Rebellengruppen und die Rolle der HTS

Die al-Nusra-Front, ein Ableger von al-Qaida, fusionierte 2017 mit anderen Rebellengruppen zur Hai’at Tahrir asch-Scham (HTS). Diese neue Gruppierung etablierte sich nach erbitterten Kämpfen gegen andere Rebellen als dominierende Kraft in der Region Idlib.

Bis November 2024 hatte sich die Lage in Syrien nicht grundlegend verändert. Im Norden kontrollierten die SDF kurdisch dominierte Gebiete, während türkisch finanzierte Rebellen im Nordwesten operierten. In Idlib herrschte die islamistische HTS, und die syrische Regierung unter Assad kämpfte weiterhin gegen verschiedene Rebellengruppen.

Der Sturz Assads

Innerhalb von zwei Wochen fielen große Städte wie Hama, Homs und Damaskus in die Hände der Rebellen. Die Offensive der HTS begann mit der Überraschungseroberung von Aleppo und setzte sich mit Hama und Homs fort. Diese schnellen Erfolge lösten eine Kettenreaktion aus: Weitere oppositionelle und islamistische Rebellen, die zuvor Waffenstillstände mit der Regierung vereinbart hatten, griffen die Hauptstadt Damaskus an.

Baschar al-Assad floh zunächst nach Latakia und später nach Russland. In der Folge bildeten die HTS und andere Rebellen aus dem Süden eine neue Übergangsregierung.

Ist der Krieg vorbei?

Trotz des Sturzes Assads ist der Krieg in Syrien nicht beendet. Die von der Türkei finanzierten Rebellen, auch als Syrische Nationalarmee (SNA) bekannt, führen weiterhin Angriffe auf SDF-kontrollierte Gebiete durch. Besonders in der Region Manbidsch dauern die Kämpfe an. Gleichzeitig besteht die Gefahr einer türkischen Invasion in die kurdisch dominierte Stadt Kobane, in der 2014 schätzungsweise 100.000 Menschen lebten.

Derzeit sind noch US-Truppen in den von der SDF kontrollierten Gebieten stationiert. Sollte es jedoch zu einem vollständigen Rückzug kommen, könnten sich Szenarien wie die „Operation Olivenzweig“ wiederholen. Der erneute Einsatz von türkischen und pro-türkischen Kräften wäre dann wahrscheinlich.

Fazit

Der Krieg in Syrien ist noch nicht vorbei. Der Sturz Assads mag ein Wendepunkt sein, doch neue Konflikte zeichnen sich bereits ab. Wie sich die Situation entwickelt, hängt stark von den Reaktionen internationaler Akteure wie Europa, den USA und Israel ab.

Jan Hasan (12. Jgs.)

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