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BigBlue – can you hear me?

Januar 2021 – Lockdown 2

Am 19. Januar wurde bei der Ministerkonferenz mit der Kanzlerin beschlossen, den Lockdown bis zum 15. Februar zu verlängern. Das heißt für den Schulbereich: vier Wochen mehr Homeschooling, Treffen nur noch mit einer Person sowie  FFP2-Maskenpflicht im Einzelhandel und im Bus-und Bahnverkehr; dazu eine Homeoffice-Pflicht für Hannahs  (Name geändert) Eltern. Hannah hat seit dem 4. Januar Homeschooling und sitzt jeden Tag vor dem Computer, um an Videokonferenzen über BigBlueButton teilzunehmen.

Dazu kommen Arbeitsaufträge der Lehrer per Sdui  und sie muss freitags bis 18 Uhr alle ihre Ergebnisse hochgeladen haben. Manche Lehrer haben andere Abgabefristen, weswegen sie sich diese separat aufgeschrieben hat.

Rheinland-Pfalz, aber auch Baden-Württemberg wollten gerne schon am 1. Februar wieder die Grundschulen öffnen, doch aufgrund einer neuen Mutation wurde dies wieder verschoben. Es sieht also so aus, als würden Schulen  je nach Inzidenzwerten und Infektionszahlen förderal zu unterschiedlicher Zeit geöffnet.

Hannah wird demnach  weiterhin über BigBlueButton Konferenzen haben und bereitet sich an einem Sonntagabend auf ihre nächste  am Montagmorgen, 7:55 Uhr, vor.

Und täglich grüßt die Videokonferenz

Es ist Montagmorgen, 7:55 Uhr, und Hannah hätte jetzt eigentlich eine Videokonferenz auf BigBlueButton. Allerdings hat Sdui mal wieder den Geist aufgegeben und es besteht somit zunächst keine Möglichkeit, um an den Link und das Passwort zu kommen.
Kurze Zeit später ploppen die ersten Nachrichten in der WhatsApp-Stufengruppe auf:

Hat jemand den Link für Deutsch?“                                                                                              

„Hat jemand den Link für Bio?“

„Was ist der Zugangscode für Mathe?“

Zum Glück hat ein Mitschüler den passenden Link kopiert und schickt diesen in die Gruppe, sodass theoretisch trotz Datenschutz doch jeder darauf zurückgreifen kann. Mit viel Geduld und langer Ladezeit klappt es letztendlich doch und sie kann zunächst problemlos am Meeting teilnehmen.

BigBlueButton – Big Blue Was?

Das Webkonferenzsystem erschien 2007 und ist OpenSource: Der Quelltext der Software ist öffentlich zugänglich und kann – vereinfacht formuliert –  von jedem angepasst werden. In diesem Fall ist auch die Nutzung der Software kostenlos. Mehrere Bundesländer greifen wahrscheinlich gerade deshalb gerne im Bildungsbereich (Schulen, Hochschulen) auf diese Variante zurück, des Weiteren aber auch, da es auf eigenen Servern laufen kann und damit die Umsetzung der DSGVO leicht zu bewerkstelligen ist. Man will nämlich vermeiden, dass wir alle ausspioniert werden. Professor Dieter Kugelmann, der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz, schreibt auf seiner Homepage sogar:

„[A]ber angesichts der vorhanden Auswertungsmechanismen der amerikanischen Sicherheitsbehörden ist nicht auszuschließen, dass eine flapsige Bemerkung in einem Schulaufsatz oder auch einer Videokonferenz bei der Einreise in die USA, bei einer Bewerbung als Aupair oder bei einer US-amerikanischen Hochschule zu Problemen führen kann.“

BBB – Unterricht digital

Einen großen und wichtigen Vorteil bietet BBB also  in Sachen Datenschutz, im Gegensatz zum Videokonferenzdienst „Zoom“ oder„Microsoft Teams“. Es ist bei BBB unwahrscheinlicher, dass Außenstehende Informationen über Konferenzen erhalten, weil  Informationen  nicht an Dritte weitergegeben werden können. Die rheinland-pfälzische Alternativplattform ermöglicht es auch, dass man diese über den Browser aufrufen und nutzen kann, somit  keine App dafür benötigt.

Dienstagmorgen: Heute steht bei Hannah noch ein Meeting an und alles funktioniert bei ihr! Es macht großen Spaß, sich mit ihren Mitschüler*innen in den Break-Out-Rooms auszutauschen und sie kann dem Unterrichtsgeschehen sehr gut folgen. Auch genießt sie es sehr, so wieder etwas virtuell in die Normalität zurückzukehren, in der  der Unterricht wie gewohnt stattfinden kann.

Mit Funktionen wie Bildschirm teilen, Whiteboards,  Melden und den Break-Out-Rooms (für Gruppenarbeiten) bietet „BBB“ somit fast ähnliche Möglichkeiten wie Zoom, allerdings unter Beachtung der DSGVO. Hinzu treten eine Umfragemöglichkeit sowie eine theoretische Unterstützung von bis zu 100 Teilnehmer*innen.

In der Konferenz: zwischen Jubel und Frust

Mittwochvormittag, 11:32 Uhr, Hannah und ihre Mitschüler*innen warten darauf, beim 11:30 Uhr-Meeting in Mathe angenommen zu werden, bis sie folgende Nachricht von ihrem Lehrer bekommen:

„Liebe Schülerinnen und Schüler, seit nun 5 Minuten habe ich keinen Zugriff auf BBB, auch Sdui läuft seit heute Morgen eher schwach. Das geplante Meeting muss ich deshalb ausfallen lassen. Stattdessen werden wir in der kommenden Woche unser Glück erneut versuchen. Viele Grüße.“
Die Schüler*innen sind nicht gerade begeistert von dem Ausfall, da sie nun einen weiteren Arbeitsauftrag bearbeiten müssen. Manchmal scheitert also das Ganze, bevor es losgeht.

Eine kurze Umfrage unter 30 Elftklässler*innen kommt dann auch zum Ergebnis, dass 14 % keinerlei technische Probleme, 62% größtenteils keine, 24% dagegen massive Probleme mit BigBlueButton haben. Fast ein Viertel wird also im Lernen behindert!

Leider kommt es  bei etlichen Schüler*innen also häufiger zu Komplikationen, darunter gehören spontane Videosausfälle, lange Ladezeiten, Einfrieren der Bildschirme und Tonprobleme.

Und so finden die meisten Videokonferenzen ohne Video / nur mit dem Lehrer*innenvideo statt, oft  nur mit einem geteilten Bildschirm. Ärgerlich für alle Fremdsprachen: Die Lehrkräfte können Audio- und Videodateien nur über andere Cloud-Lösungen oder Youtube einspielen und nicht direkt über ihr digitales Endgerät, da BBB nur den Bildschirminhalt, nicht aber den Ton überträgt.

Zugleich müssen dann im Unterricht auch andere Dinge geklärt werden:

Chatverlauf einer BBB-Sitzung

Auch der  Bildungsserver Rheinland-Pfalz formuliert bei BBB erste Einschränkungen:
So sei die Kapazitätsgrenze bei zwölf Teilnehmer*innen mit Webcam (Video) ein „konservativer Erfahrungswert“. Und – immerhin – weiter: „Die Angabe , maximal 12´ bedeutet nicht, dass nicht zu Beginn einer Unterrichtsstunde auch für einen kurzen Zeitraum 30 Webcams aktiviert werden können.“ Generell sei es aber auch nicht erstrebenswert, so viele Videos parallel zu sehen, man müsse eben bei einem neuen Format „umdenken“.

Kurzum: Videokonferenzen  mit möglichst wenig Videoanteil…

Sieht so digitaler Unterricht im Jahr 2021 aus?

Trotz des manchmal mühseligen Starts, ist Hannah letztendlich froh, dass es diese Meetings auf BigBlueButton gibt, da so noch wichtige Fragen geklärt werden konnten. Ein reines Arbeiten mit Arbeitsaufträgen? Undenkbar.

BigBlueButton weist Probleme auf, jedoch gibt es manchen Schüler*innen und Lehrer*innen die Möglichkeit, sich miteinander auszutauschen und ein abwechslungsreiche Mischung aus Arbeitsaufträgen und Videokonferenzen zu haben. So kann den Schüler*innen auch der wichtige Stoff übermittelt werden und es entstehen keine großen Wissenslücken. Auch wenn es manchmal ein forderndes Geduldsspiel ist, klappt es bei den meisten mit Einschränkungen – aber bei einigen auch nicht.

Aber – da war doch was? Richtig: Während des ersten Lockdowns nutzte unsere Schule „Zoom“ – problemlos. Und so fällt das Urteil von Schüler*innen und Lehrer*innen auch sehr gespalten aus:

Die einen loben den Open Source-Gedanken, die Unabhängigkeit von Großunternehmen wie Microsoft, Zoom & Co. und sehen keine Probleme. Auch würden sie eine Weiterentwicklung der Software begrüßen, um die Stabilität, aber auch den Funktionsumfang weiter zu erhöhen.

Die anderen kritisieren das Sparmodell, fragen, ob man allen Ernstes glaubt, dass Amerika den Schulunterricht überwacht, während zuhause Android-Smartphones herumliegen, und würden gerne mit professionellen Plattformen mit vollem Funktionsumfang arbeiten, wo man nebenbei auch für´s spätere Berufsleben Kompetenzen erwerben kann.

Und wie sieht es das Land? Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz schreibt am 6.1.2021 auf der offiziellen Seite, dass man aufgrund der schwierigen Pandemie-Situation die Bedenken „hinsichtlich einer fortdauernden Nutzung durch Schulen von MS Teams und vergleichbaren Lösungen US-amerikanischer Anbieter vorerst zurückgestellt.“ Wenn man diese dann aber an der Schule einsetze, müsse dies (Achtung: Ironie!) für die Schüler*innen natürlich datensparsam und freiwillig (!) erfolgen…

 

Melanie J., Jessica K., Lena B.; Karikatur: Jan W. (11. Jgs.)

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