„Was ist Glück? Die Frage war so schön, dass es darauf keine Antwort geben konnte. Keine Antwort, es wäre denn das Leben oder mit dem Leben gewesen.“
In „Rauschzeit“ von Arnold Stadler, dem vom Fischerverlag im August 2016 veröffentlichen Roman geht es um den leicht an einem Tourette-Syndrom mit Reimzwang erkrankten Alain und Irene, die Mausi genannt wird. Sie sind seit 15 Jahren verheiratet, aber haben sich auseinandergelebt und gehen ihren eigenen Vorstellungen des Lebens hinterher um herauszufinden, was Glück wirklich bedeutet. Der Leser erfährt, wie sie sich auseinanderleben und Alain in Köln seine Jugendliebe Babette wieder trifft, während Mausi von ihren Freunden Inge und Justus mit dem Dänen Jesper in der Oper „Tosca“ über Umwege verkuppelt wird. Ihnen beiden wird wieder bewusst was Liebe wirklich ist, aber die Frage, die sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht, wird von beiden am Ende zwar angesprochen, aber mit dem Satz „Die Frage war so schön, dass es darauf keine Antwort geben konnte“ beantwortet.
Der Inhalt des Buches ist bis auf ein paar fachliche Begriffe der Oper oder der Literatur klar zu verstehen. Es ist aus zwei verschiedenen Perspektiven geschrieben, die Kapitel von und über Alain sind in der Ich-Perspektive und die Kapitel von und über Mausi sind in der auktorialen Erzählperspektive geschrieben. Der Autor bezieht sich gerne auf seine anderen Werke, aber man muss diese nicht gelesen haben, um das Buch mit Freude lesen zu können. Außerdem drückt er das Tourette Alains mit lustigen Anspielungen auf das Leben aus. Der Sinn ist einfach zu verstehen und man fühlt sich von Anfang an mit beiden Protagonisten verbunden. Am Anfang des Buches meint man zu denken, Mausi sei die Böse mit ihren Kommentaren über ihren Ehemann. Aber im weiterführenden Buch kommen auch Fehler von Alain an die Oberfläche. Der Autor stellt die Differenzen und Unterschiede der Protagonisten gut in den wechselnden Kapiteln dar. Und trotz der Differenzen spürt man die Gefühle für einander und die anderen Personen im Buch.
Ich finde das Buch ist sehr lesenswert. Obwohl es eher für Ältere als für Jugendliche geschrieben wurde, zeigt es auch gut, wie sich innerhalb von ein paar Tagen das ganze Leben drehen und ändern kann, zum Beispiel durch den Tod einer geliebten Person oder das Erlöschen der vermeintlichen ewigen Liebe. Es ist klar verständlich geschrieben und der Autor schafft es, so zu schreiben, dass der Leser genug Raum zum freien Selbstdenken und Im-Kopf-Weiterschreiben der Geschichte hat. Insgesamt ist das sechsteilige Werk, in dessen vierten Teil Alain anfängt seine eigene Geschichte aufzuschreiben, an manchen Stellen schon fast ein Drama über Liebe, Glück und den Tod.
Antje Schubert (11. Jgs.)