Digitalisierung an Neustadter Schulen: Licht am Ende des Tunnels?

Am 17. Mai 2019 war es soweit: Der DigitalPakt Schule  des Bundes trat in Kraft: Nach eine Grundgesetzänderung ist es seitdem dem Bund erlaubt, die Länder bei der Digitalisierung der Schulen finanziell zu unterstützen. Stolze 6.5 Milliarden Euro wurden hierfür bereitgestellt. Digitale Zeitenwende in Neustadt?


Geduldig sein muss gelernt sein

Doch mit der Umsetzung sollte es – auch dank der Pandemie – dauern. Das Land Rheinland-Pfalz informiert auf seiner Seite über die Verfahrensweise, wie Schulträger an Fördermittel kommen.
Denn so einfach, wie man sich das vorstellt, ist es natürlich nicht. Schließlich wäre Deutschland nicht Deutschland, wenn nicht für alles mehrere Formulare ausgefüllt werden müssten. Und so durften und dürfen Schulträger, also die Kommunen,  Projektbeschreibungen mit  IST-Analysen, Angaben zu „technologischen, pädagogischen und funktionalen Vorteilen“ formulieren. Ob Aussagen wie „Die Projektionsmöglichkeiten in Neustadter Klassenzimmern beschränken sich aktuell vor allem auf 30 Jahre alte Overheadprojektoren!“ oder “ Deutschland macht sich lächerlich, wenn im Jahr 2022 noch immer nicht ausreichend Beamer oder Smart-TVs in Klassenräumen hängen!“ ausreichen?

,, Die Overheadprojektoren sind älter als meine Eltern!“ (13. Jgs)

Ein Blick zurück

Dabei gab es schon einmal den Versuch, die Schulen zu digitalisieren: Das Ganze hieß „Medienkompetenz macht Schule“ und hinterließ neben in die Tage gekommene Whiteboards bei den Pilotprojektschulen einen Laptopwagen, den die Klassen und Kurse aufgrund seines Gewichts nur in homöopathischen Dosen zu Gesicht bekamen.

Im Jahr 2022 müsste eigentlich schon allein der Blick ins durchschnittliche Kinder- und Jugendzimmer die Misere verdeutlichen, um die ganze Absurdität der Lernumgebung Schule zu illustrieren.  Immer mehr von uns  bevorzugen das digitale Lernen, weil wir zuhause nur digital unterwegs sind. Aber ist dies an Neustadter Schulen und somit auch am KKG überhaupt möglich?

Digitalisierung am KKG

OHP versus Wlan. Beamer: Fehlanzeie. Zwei Zeitalter prallen aufeinander.

Montagmorgen, 7:55 Uhr. Der 12er-Oberstufenkurs sitzt schlaftrunken im Klassenraum und – wartet. Wartet darauf, dass die Lehrkraft die Doku über Entwicklungsländer zum Laufen bringt. „Mist. Falsches Kabel. Warum ist das Bild rosa?“ Denn außer dem schicken schwarzen WLAN-Kasten gammelt ein in die Jahrzehnte (!) gekommener OHP in der Ecke herum. Und die DVD-Beamer geben nach und nach ihren Geist auf. Wir fragen uns: Wie viel „Entwicklungsland“ steckt in der Bundesrepublik?

Mithilfe des DigitalPakts konnten immerhin Anfang des Schuljahres, also „nur“ zwei Jahre später, alle Klassensäle am KKG mit WLAN ausgestattet werden. Und sonst? Wir haben Schülerinnen und Schüler, konkret zwei neunte Klassen sowie einen 11er- und einen 13er-Kurs befragt, wie sie die Lage wahrnehmen.

1. Ist das Käthe gut mit Medien ausgestattet?
Die Antwort lautet: Nein! Während die 9. Jahrgangsstufe  mit am kritischsten und mit 100 Prozent für Nein votiert hat, waren dies bei den 11ern nur 94,1 Prozent, bei den 13ern erstaunliche
85,7 %. Wir tippen auf Altersmilde… Und was meinen die Lehrkräfte?

„Na ja, viele CD-Spieler haben ein biblisches Alter erreicht, die DVD-Beamer sind alle schon im Altersheim, das WLAN funktioniert manchmal nur an hohen kirchlichen Feiertagen und die wenigen interaktiven Tafeln bzw. Whiteboards sind auch fast schon vintage. Kurz gesagt, die medial-digitale Ausstattung der Schule lässt zu wünschen übrig, manchmal aber auch die diesbezüglichen Fertigkeiten des Einzelnen, davon nehme ich mich nicht aus“ (Lehrkraft am KKG).

2.Welche Schulnote würdest du dem Käthe für seine Medienausstattung geben?
Insgesamt rettet sich das Käthe bei dieser Frage auf eine 4. Dabei liegt der Notendurchschnitt, den die 11er (3,8) und 13er (3,9) der Medienausstattung gegeben haben, noch im relativ „positiven“ Bereich, im Gegensatz zu den 9ern, die im Schnitt eine 4,5 vergeben haben.

 

„Lehrer sollten den Umgang mit Technik beherrschen!“ (11.Jgs.)

„Es ist schon erstaunlich, dass mein Haus mit Glasfaseranschluss besser ans Internet angeschlossen ist als jede Schule!“ (Lehrkraft am KKG)

Nachhaken bei der Schule

Wir treffen Herrn Schmerenbeck, der den Digitalisierungsprozess am Käthe betreut und gestaltet:

Herr Schmerenbeck, was hat sich in den letzten paar Jahren in Sachen Medienausstattung getan?

Vor ein paar Jahren hatten wir nur einen Informatiksaal mit 15 Einzelrechnern, mittlerweile gibt es zwei Informatiksäle mit jeweils 30 Rechnern, dazu ca. 50 iPads und weitere 30 Laptops. Im letzten Jahr haben wir dann für das ganze Gebäude ein WLAN bekommen. Das Geld für die Informatiksäle kam von Sponsoren, der Ausbau der Netzwerkes wurde durch Gelder aus dem DigitalPakt realisiert. Allerdings nicht nur wir, sondern auch alle anderen Schulen in Neustadt wurden ebenfalls mit einem WLAN ausgestattet. Das waren die zwei größten Veränderungen in den letzten Jahren, es muss nun natürlich auch weitere geben!

Sie machen uns neugierig. Was steht denn in nächster Zeit an?

Die nächsten Schritte sind alles weitere Ausbaustufen im Zusammenhang mit dem DigitalPakt. Mit dem Ausbau des WLANs konnte schon der erste Teil der zur Verfügung stehenden Gelder abgerufen werden. Weiter soll es dann mit der Verbesserung der digitalen Infrastruktur in den einzelnen Klassenräumen gehen. Hierfür sollen großformatige Smart-TVs für alle Klassensäle und alle Fachräume angeschafft werden. Zudem soll es möglich werden, mit jeglichen Endgeräten, wie z.B. Laptops oder Tablets, direkt eine Verbindung mit den Smart-TVs aufzubauen, um so Unterrichtsergebnisse o.Ä. direkt präsentieren zu können.

Wir merken, dass das alles nicht von heute auf morgen geht. Wie läuft der Prozess von der Planung bis zur Umsetzung ab?

Zuerst erstellt der Schulträger, also die Stadt Neustadt, ein Gesamtkonzept, den sogenannten Medienentwicklungsplan, für alle Schulen in Neustadt. Ergänzend müssen dann auch die einzelnen Schulen ein eigenes Medienkonzept anfertigen. Erst dann kann es zur praktischen Umsetzung kommen, d.h. erst dann können die Gelder abgerufen werden. Der Grundgedanke eines Medienentwicklungsplans ist, dass jedes neue Gerät irgendwann auch wieder veraltet sein wird und entsprechend ersetzt werden muss. Mit dem Plan soll sichergestellt werden, dass auch in Zukunft weitere Gelder zur Verfügung stehen, um die angeschafften Geräte und die Ausstattung immer auf dem neuesten Stand zu halten. Dieses Problem der veralteten Geräte haben wir nämlich aktuell noch mit den alten interaktiven Whiteboards und dem großen blauen Laptopwagen. Beides konnte vor etlichen Jahren im Zuge des Projekts Medienkompetenz macht Schule angeschafft werden. Aber sobald dieses Geld aufgebraucht war, gab es keine Anschlussfinanzierung, da dies das Projekt nicht vorsah, und somit fristen jetzt die Whiteboards und die uralten Laptops ihr Dasein.  Um diese Probleme zukünftig zu vermeiden, denke ich, dass dies durch ein nachhaltiges Medienkonzept, so wie es jetzt durch unseren Schulträger geplant ist, sehr gut gelingen wird.

Wie lange dauert so ein Prozess, bis das Ganze umgesetzt werden kann?

Wir haben eine Projektgruppe, bei der sich Vertreter der Schulleitungen sowie die Verantwortlichen seitens unseres Schulträgers regelmäßig treffen. Die Gruppe tagt seit zweieinhalb Jahren und bespricht die Rahmenbedingungen und die Erfordernisse der einzelnen Schulen sowie die weitere Vorgehensweise. Wie oben schon erwähnt, kann das weitere Geld des DigitalPakts erst mit dem Medienentwicklungsplan freigegeben werden. Dies dauert seine Zeit, da die Erstellung Zeit in Anspruch nahm und dieser danach auch noch in den Gremien der Stadt entsprechend genehmigt werden musste. Sicherlich wäre es im Sinne aller Beteiligten, wenn die Gelder schneller und weniger bürokratisch abgerufen werden könnten, dennoch bin ich froh, dass eben nicht nur die kurzfristige Finanzierung der Ausstattung im Mittelpunkt steht, sondern dass auch gewährleistet sein wird, dass die Schulen in Neustadt auch zukünftig mit aktueller Technik ausgestattet bleiben.

Wann denken Sie, dass die Ziele von dem DigitalPakt erreicht werden?

Auf der einen Seite kann man sehen, dass ab dem Zeitpunkt, als die Gelder für das WLAN abgerufen wurden, die beauftrage Firma relativ schnell ein WLAN an allen Schulen in Neustadt installiert hatte. Bei uns waren sie innerhalb von zwei Monaten fertig. Sobald das Geld da ist, geht es also auch zügig. Meine Hoffnung ist, dass im Laufe diesen Jahres der Ausbau der Klassensäle beginnen kann. Wenn das Geld zur Verfügung steht, muss man immer noch bedenken, dass die Geräte erst noch gekauft und dann auch in allen Schulen montiert werden müssen. Wir rechnen noch mit einem Jahr, um das Geld vom DigitalPakt auch wirklich in der Schule zu sehen.

Die Ausstattung ist das eine – die Bedienung derselben das andere: Wie sieht es mit Fortbildungen für Lehrer*innen aus?

Das wäre dann die zweite Ebene der Digitalisierung: Wenn alle Klassenräume ausgestattet sind, müssen wir die Kolleginnen und Kollegen, aber auch euch so schulen, dass die digitale Ausstattung dann auch Einzug in den täglichen Unterricht findet. Das ist aber erst der nächste Schritt. Zuerst müssen die Geräte da sein, dann können wir mit den Schulungen loslegen.

Vielen Dank für das Interview!

Nicht alles ist schlecht

Zurück zu unserer Umfrage: Insbesondere die Tatsache, dass viele Säle – dank des freiwilligen Einsatzes von Lehrkräften – mit älteren Beamern ausgestattet sind, schätzen die befragten Schülerinnen und Schüler. Auch das neu eingerichtete WLAN  sowie die schon vorhandenen Smartboards und Smart-TVs werden lobend erwähnt. Es gibt aber auch einiges, an dem Kritik geübt wird. Man wünscht sich nämlich mehr und vor allem modernere Geräte samt aktuellen Betriebssystemen. Das vor kurzem eingerichtete WLAN habe ebenfalls noch Ausbaupotential. Und zusätzlich wünschen sich die Befragten auch, dass neue Medien vermehrt im Unterricht genutzt werden, was momentan noch ein Problem darstelle.

Angst vor überforderten Jugendlichen?

Denn der jetzige Stand zum digitalen Unterricht am KKG ist auch, dass die Erlaubnis mit Laptops oder Tablets am Unterricht teilzunehmen, für Schülerinnen und Schüler erst ab der Oberstufe gegeben ist und die müssen natürlich selbst gekauft werden.  Dabei würden andere auch gerne jüngere digitaler unterwegs sein und können diese Einschränkung nicht nachvollziehen. Denn eines hat uns die Pandemie gezeigt: So gut wie alle ab der Mittelstufe haben sich aufgrund des Homeschoolings bereits an das digitale Lernen gewöhnt, jetzige Acht- und Neuntklässer der Mittelstufe  sind definitiv kompetent genug! Ein Teil von uns hat für den Oberstufenunterricht schon längst Tablets in Betrieb und scannt die Arbeitsblätter ein oder nutzt Airdrop, um Dokumente auf den Laptop zu transferieren etc.

Ende gut, alles gut?

Was man positiv konstatieren muss, ist der DigitalPakt, ohne den etwa das WLAN noch nicht realisiert worden wäre. Und auch ohne so tatkräftige Lehrkräfte wie Herr Schmerenbeck würde nichts gehen. Doch was kommt nach dem DigitalPakt? Der Appell, auch für die Zukunft weiterzuplanen, geht an die Politik, die wie immer viel geredet und wenig gehandelt hat. Diese muss weiter am Ball bleiben!

Betrachten wir nämlich das Ganze aus unserere Perspektive: Seit sieben Jahren sind wir als Schülerinnen der MSS 12 mittlerweile an der Schule und scheinbar erst Ende diesen Jahres, im Dezember 2022, wenn wir im Prinzip kurz vor dem Abitur sind, werden wir digital besser ausgestattet sein. Man kann folglich also bilanzieren, dass Prozesse der Digitalisierung an Schulen definitiv zu langsam vorangehen. Das kann nicht sein! Die Zukunft wartet nicht!

Natürlich kann auch dies alles nur ein Anfang sein: Nicht nur an der Ausstattung muss etwas getan werden. Neue Medien müssen auch bedient werden können, sowohl von Schülerinnen und Schülern als auch von Lehrerinnen und Lehrern. Manche Lehrkraft findet aber auch versöhnliche Worte, wenn es um das Thema geht, und hat vielleicht auch Recht, wenn sie betont:

„Letztlich kommt es aber auch auf viel mehr an. Erfolgreicher Unterricht hängt davon ab, wie gut es mir gelingt, mich auf die Klasse oder den Kurs einzulassen und sie ernst zu nehmen, sie zu begeistern. Und natürlich sollten die Klassen und Kurse diese Angebote auch annehmen. Digitale Medien können dabei helfen, den menschlichen Faktor ersetzen können sie nicht – zum Glück!“ (Lehrkraft am KKG)

Lena B. / Jessica K. (12. Jgs.) Grafik: Jan W.

Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Kommentare sind geschlossen.